Wer Schulden hat, die tituliert sind, über die also insbesondere ein Gericht entschieden hat, muss damit rechnen, dass der Gläubiger, bei dem die Schulden bestehen, Einkommen pfändet. Zum Einkommen zählen unter anderem Arbeitseinkommen, Renten und auch Arbeitslosengeld. Es kann oberhalb von Pfändungsfreigrenzen gepfändet werden.
Doch zählt auch als Einkommen, das man mietfrei wohnt? Kann die Pfändungsfreigrenze entsprechend dem geldlichen Wert des mietfreien Wohnens herabgesetzt werden?
Hierzu gibt es nun eine gerichtliche Entscheidung des Landgerichts Lübeck, über die wir in unserem Artikel berichten.
Mietfreies Wohnen als Einkommen?
Das Landgericht Lübeck hat entschieden, dass Pfändungsfreigrenzen unabhängig davon sind, ob der Schuldner Miete zahlt oder nicht. Es sind unveränderbare Pauschalbeträge.
Mietfreies Wohnen ist kein Einkommen, das gepfändet werden kann. Das liegt daran, dass es sich nicht um eine Geldleistung handelt, sondern um eine bloße Vermögensposition. Ein Mieter, der mietfrei wohnt, hat zwar einen Vorteil gegenüber einem Mieter, der Miete zahlen muss. Dieser Vorteil ist zwar in Geld messbar kann aber dennoch nicht gepfändet werden
Das bedeutet, dass ein Gläubiger, der einen Schuldner pfänden will, auch dann nicht auf das mietfreie Wohnen zugreifen kann, wenn der Schuldner sonst kein oder nur ein geringes Einkommen hat. Der Schuldner kann also weiterhin in seiner Wohnung wohnen, ohne dass der Gläubiger dies verhindern kann.
Keine Verringerung des Pfändungsfreibetrags durch mietfreies Wohnen
Auch der Pfändungsfreibetrag auf sonstiges Einkommen verringert sich nicht um den Wert des mietfreien Wohnens. Das hat das Landgericht Lübeck nunmehr unter dem Az. 7 T 11/24 entschieden. Es befand, dass sich die aus bzw. über § 850c ZPO ergebenden Pfändungsfreigrenzen nicht mit der Begründung abzusenken lassen, dass ein Schuldner keine Miete zahle.
§ 850c ZPO benenne feste Beträge, die den pfändungsfreien Teil des Arbeitseinkommens darstellen. An sie sei das Vollstreckungsgericht gebunden. Die Kalkulationsgrundlagen in der Gesetzesbegründung seien unerheblich, entscheidend sei nur der im Gesetz genannte Endbetrag. Man könne also nicht von den in bzw. über § 850c ZPO vorgegebenen Beträgen Abschläge vornehmen, wenn ein Schuldner keine Mietaufwendungen habe.
Die erhöhten Pfändungsfreibeträge verlangen nur, dass Unterhalt gezahlt wird
Zu den nach § 850c Abs. 2 ZPO erhöhten Pauschalbeträgen müsse allerdings hinzukommen, das tatsächlich Unterhalt gezahlt werde. Soweit der Gesetzgeber Abweichungen in den Gesetzesvorschriften zugelassen habe, so etwa in § 850c Abs. 6 ZPO, trügen diese den Belangen des Gläubigers abschließend Rechnung.
Keine Abänderung des pauschalierten Pfändungsfreibetrages möglich
Der pauschalierte Pfändungsfreibetrag kann nicht abgeändert werden, wenn ein Schuldner keine Miete zahle. Das ist der Tenor der Gerichtsentscheidung. Dies würde dem Bestreben des Gesetzgebers widersprechen, die Zwangsvollstreckung praktikabel zu gestalten und die Durchsetzung der Gläubigerrechte nicht unzumutbar zu erschweren. Der Gesetzgeber eine Pauschalierung der pfändungsfreien Beträge gewollt und ihre Staffelung nach personenbezogenen Elementen ausdrücklich abgelehnt.
Der Gesetzgeber habe nicht gewollt, dass im Zwangsvollstreckungsverfahren um die Höhe der Pauschalbeträge gestritten werde. Aus der Pauschalierung des Pfändungsfreibetrags folge deshalb, dass es nicht darauf ankomme, ob ein Schuldner Miete zahle oder nicht.
Zusammenfassung zu den Pfändungsfreigrenzen bei mietfreiem Wohnen
Das Wichtigste zum zusammengefasst zum Schluss:
Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck ist eine gute Nachricht für Schuldner, die mietfrei wohnen.
Der Pfändungsfreibetrag auf sonstiges Einkommen verringert sich nicht um den Wert des mietfreien Wohnens.
Diese Entscheidung ist aus mehreren Gründen nachvollziehbar:
- Die Pfändungsfreibeträge sind gesetzlich festgelegt. Sie sollen sicherstellen, dass Schuldner auch bei einer Zwangsvollstreckung noch über ein Minimum an Einkommen verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
- Eine Abänderung der Pfändungsfreibeträge aufgrund des mietfreien Wohnens würde die Zwangsvollstreckung unnötig verkomplizieren.
Quelle und weiterführende Infos
SH Landesvorschriften und Landesrechtsprechung
Weitere Informationen und eine Übersicht über die aktuellen Pfändungsfreigrenzen hier:
Hartmut Dreier ist ein Vollblutjournalist mit sozialem Herz. Er engagiert sich seit Jahren in unserem Online-Magazin. Er hat Kommunikationswissenschaft und Journalismus studiert. Gebürtig stammt er aus Bayern, arbeitete in Berlin und Frankfurt a. M. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie gut recherchiert und für die Menschen geschrieben sind.