Ein nicht angekündigter Hausbesuch durch einen Außendienst – Mitarbeiter des Jobcenters in der Wohnung des Bürgergeld-Beziehers – ist das zulässig? So fragen sich Betroffene, die vom Klingeln an der Wohnungstür überrascht werden.
Darf das Jobcenter Nachforschungen in der Wohnung des Antragstellers durchführen?
Wir gehen der Frage nach, welche Ermittlung das Jobcenter unternehmen darf, um zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen für das Bürgergeld tatsächlich gegeben sind und ob alle Angaben des Bürgergeld-Antragstellers zutreffend sind.
Darf das Jobcenter durch den Außendienst ermitteln?
Wie verhält man sich am besten bei einem Hausbesuch durch einen Jobcenter Mitarbeiter?
Die Frage, ob das Jobcenter ermitteln darf, ist eindeutig mit ja zu beantworten. Ermittlungen durch Hausbesuche kommen allerdings nicht häufig vor und nur dann, wenn Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Bürgergeld-Antragstellers bestehen. Häufig geht es um die Frage, ob bei einem Zusammenleben zwischen Mann und Frau eine Bedarfsgemeinschaft oder eine bloße Haushaltsgemeinschaft besteht.
Gesetzliche Grundlage für die Zulässigkeit von Ermittlungen durch das Jobcenter ist § 20 SGB II, Bürgergeld-Gesetz. Voraussetzung: Es liegt ein begründeter Verdacht hinsichtlich falscher Angaben vor.
Die Jobcenter können auf Mitarbeiter im Außendienst zurückgreifen, um die Wohnsituation des Bürgergeld-Anspruchstellers zu prüfen.
In § 6 Abs 1 SGB II, dem Bürgergeld-Gesetz, ist bestimmt, dass die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, also des Bürgergeldes, zu ihrer Unterstützung Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragen dürfen. Träger des Bürgergeldes sind die Bundesagentur für Arbeit, Landkreis und kreisfreie Städte sowie Kommunen.
Vorgesehen ist auch die Einrichtung eines Außendienstes zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch, den Bedarfsermittlungsdienst.
Hat das Jobcenter ein Zutrittsrecht zur Wohnung?
Besteht ein Zutrittsrecht für das Jobcenter zur Wohnung des Bürgergeld-Beziehers? Oder: Darf das Jobcenter die Wohnung betreten?
Die Antwort lautet ganz klar: Das Jobcenter darf die Wohnung des Bürgergeld-Beziehers nicht ohne dessen Willen betreten. Ein „Hausrecht“ oder Zutrittsrecht hat das Jobcenter nicht. Niemand ist verpflichtet, Außendienstmitarbeiter des Jobcenters in seine Wohnung zu lassen. Das ergibt sich aus dem grundgesetzlichen Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13 GG). Dies war auch bereits Gegenstand eines Gerichtsverfahrens vor dem Bayrischen Landessozialgericht, vgl. Beschluss v. 11.3.2011, L7 AS 83/11 B ER.
Ein Zutrittsrecht gegen den Willen des Wohnungsinhabers setzt einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss voraus.
Klopft oder klingelt ein Mitarbeiter des Jobcenters an der Wohnungstür und möchte er die Wohnung betreten, so muss man ihn folglich nicht hereinlassen und kann ihn wegschicken, den Zutritt verwehren.
Was passiert, wenn ich Jobcenter-Mitarbeite nicht in meine Wohnung lasse?
Das Wegschicken, das Verwehren des Zutritts zur Wohnung, hat keine direkten rechtlichen Konsequenzen. Im Grundgesetz ist das Recht an der eigenen Wohnung verankert. Niemand kann gezwungen werden, dritte Personen in die Wohnung zu lassen. Natürlich gibt es Ausnahmen, allerdings nicht im Rahmen des Bürgergeld-Gesetzes und für das Jobcenter.
Mitwirkungspflicht durch Zutrittsverweigerung verletzt?
Das Bürgergeld-Gesetz statuiert allerdings eine Mitwirkungspflicht des Antragstellers von Leistungen. Antragsteller bzw. Bürgergeld-Bezieher sind verpflichtet, an der Aufklärung der dem Anspruch zugrunde liegenden Tatsachen mitzuwirken. Wird die Mitwirkung verweigert, können Leistungsminderungen die Konsequenz sein.
Die Mitwirkungspflicht ist in § 60 SGB I geregelt. Danach sind Bezieher einer Sozialleistung verpflichtet, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind.
§ 66 SGB I regelt die Folge einer Verletzung der Mitwirkungspflicht und bestimmt, dass dann, wenn ein Bürgergeld-Bezieher seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, das Jobcenter ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise einstellen kann.
Gleich steht der Fall, in dem der Leistungsberechtigte absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
Ies gibt noch weitere gesetzliche Vorschriften, aus denen sich die Zulässigkeit eines Hausbesuchs durch das Jobcenter ergibt, und auch die Mitwirkungspflicht des Bürgergeld-Beziehers. So ist in den §§ 20, 21 SGB X festgelegt, dass die Sozialbehörde den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln und Art und Umfang der Ermittlungen nach pflichtgemäßen Ermessen selbst bestimmt. Erlaubt ist, dass sie „Augenschein einnehmen“ darf. Unter diese Regelung fällt die Durchführung von Hausbesuchen.
Und § 21 Abs. 2 SGB X statuiert, dass der Leistungsbezieher bei der Ermittlung des Sachverhalts zur Mitwirkung verpflichtet ist.
Zutritt erlaubt: Was darf das Jobcenter bei einem Hausbesuch tun?
Im Normalfall wird dem Ermittlungsdienst des Jobcenters der Zutritt zur Wohnung vom Bürgergeld-Bezieher erlaubt, wenn der Behördenmitarbeiter seinen Dienstausweis vorgelegt hat und und den konkreten Grund für den Hausbesuch genannt sowie eine Kopie seines Prüfauftrages überreicht hat.
Erlaubt man also dem Jobcenter-Außendienstmitarbeiter die Wohnung zu betreten, stellt sich die weitere Frage, wie man sich bei dem Hausbesuch verhalten sollte. Was darf der Jobcenter-Mitarbeiter untersuchen?
Grundsätzlich darf der Jobcenter-Mitarbeiter nur das tun, was ihm vom Wohnungsinhaber erlaubt wird. Er darf nur die Räume betreten, zu denen ihm der Zutritt gestattet wird. Gleiches gilt für das Öffnen von Schränken. Dies darf der Ermittlungsdienst des Jobcenters nur, wenn ihm dies zuvor gestattet wurde.
Es steht dem Wohnungsinhaber frei, dein Hausbesuch des Jobcenters jederzeit zu beenden. Einmal den Zutritt erlaubt zu haben, bedeutet nicht, dass der Mitarbeiter seine Ermittlungen auch beenden darf, wann er will. Es kommt allein auf den Willen des Bürgergeld-Beziehers an. Das folgt direkt aus dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung, der sich aus dem Grundgesetz ergibt.
Wann darf das Jobcenter einen Hausbesuch durchführen?
Ein Hausbesuch durch das Jobcenter ist immer das letzte Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Das Verlangt der allgemeingültige Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es darf keine anderen Möglichkeiten geben, um Fragen zum Sachverhalt zu klären.
Dass ein Hausbesuch das ultima ratio sein muss, versteht sich im Grunde von selbst, denn ein Hausbesuch ist eine besondere Belastung für den Bürgergeld-Bezieher. Zudem ist die Wohnung grundrechtlich besonders geschützt.
Das Jobcenter wird einen Hausbesuch durchführen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass falsche bzw. fehlerhafte Tatsachenangaben gemacht worden sind. Solche Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten sind insbesondere bei widersprüchlichen Angaben des Leistungsbeziehers selbst gegeben.
Jobcenter muss Hausbesuch nicht ankündigen
Das Jobcenter muss einen Hausbesuch dich seinen Ermittlungsdienst nicht im Voraus ankündigen. Ein überraschender Hausbesuch kann durch den Überraschungseffekt zusätzliche Aufklärungsmöglichkeiten bieten. Deshalb ist er zulässig.
Art 13 Grundgesetz: Die Wohnung ist unverletzlich
Art 13 Grundgesetz statuiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
Zu den anderen Organen gehört auf keinen Fall das Jobcenter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt ohnehin, dass es Durchsuchungen ohne Gerichtsbeschluss nur bei besonderer Gefahr für Leib und Leben oder hohe Rechtsgüter geben kann.
Eine Hausdurchsuchung aufgrund Gerichtsbeschluss darf nur durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei als das Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft erfolgen.
Dann handelt es sich aber um ein Strafverfahren, nicht mehr um ein Verfahren nach dem SGB II, dem Bürgergeldgesetz.
Richtiges Verhalten beim Jobcenter Hausbesuch
Wie sollte man sich also bei einem Hausbesuch verhalten? Der Tipp lautet: kooperativ. Man sollte also nicht sofort davon ausgehen, dass das Jobcenter im Unrecht ist und “böses” will. Man sollte sich in dem konkreten Moment vor Augen führen, dass man auf die Leistungen des Jobcenters angewiesen ist, man hat selbst den Antrag gestellt. Also: höflich und kooperationsbereit, so sollte man sich verhalten.
Und: man darf dies auch vom Außendienstmitarbeiter des Jobcenters erwarten!
Zusammenfassung zu Bürgergeld: Hausbesuch vom Jobcenter
Das Wichtigste kurz notiert:
Darf das Jobcenter Hausbesuche beim Bürgergeld-Bezieher durchführen?
Ja, das Jobcenter darf Hausbesuche durchführen und dabei einen Ermittlungsdienst einschalten.
Sind Hausbesuche gegen den Willen des Bürgergeld-Beziehers möglich?
Nein, Niemand ist verpflichtet, einen Behördenmitarbeiter in seine Wohnung zu lassen. Das folgt direkt aus Art 13 Grundgesetz. Ausnahme: richterlicher Durchsuchungsbeschluss liegt vor. Diesen bekommt aber allenfalls die Staatsanwaltschaft, keinesfalls das Jobcenter.
Was passiert, wenn man den Außendienst des Jobcenters nicht in die Wohnung läßt?
Lässt ein Bürgergeld-Bezieher einen Mitarbeiter des Jobcenters nicht in die Wohnung, so droht eine Streichung der Leistung. Grund: Bürgergeld-Bezieher sind zur Mitwirkung bei der Aufklärung aller für die Bürgergeld-Leistung relevanten Tatsachen verpflichtet.
Hartmut Dreier ist ein Vollblutjournalist mit sozialem Herz. Er engagiert sich seit Jahren in unserem Online-Magazin. Er hat Kommunikationswissenschaft und Journalismus studiert. Gebürtig stammt er aus Bayern, arbeitete in Berlin und Frankfurt a. M. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie gut recherchiert und für die Menschen geschrieben sind.