Die Fraktion die Linke im Bundestag fordert die Abschaffung der Sanktionen beim geplanten Bürgergeld, s. Deutscher Bundestag Drucksache 20/4055.
Zunächst stellt sie fest, dass die Bundesregierung beim Bürgergeld grundsätzlich an Sanktionen festhalten will. Allerdings nur in begrenztem Umfang. Die Leistungsminderungen beim Bürgergeld bezwecken eine Sanktionierung; und bei der sogenannten Vertrauenszeit handele es sich nicht um Vertrauen, sondern eher um eine Bewährungszeit.
Notwendig sei stattdessen eine vollständige Abschaffung, denn Sanktionen führten zu Mangellagen. Das Existenzminimum sei schon kleingerechnet.
Auch arbeitsmarktpolitisch seien Sanktionen kontraproduktiv, denn sie erschwerten die Aufnahme nachhaltiger Arbeit und verschlechtern die Position von Erwerbstätigen auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem diskriminierten sie Menschen mit niedrigem Bildungsgrad und würden auch Kinder treffen.
Gründe für die komplette Streichung der Sanktionen beim Bürgergeld
Die Fraktion die Linke begründet ihre Forderung außerdem wie folgt.
Die Begrenzung von Leistungsminderungen bzw. Sanktionen gemäß §§ 31a-32 SGB II, die im Gesetzentwurf zum Bürgergeld vorgesehen ist (BT-Drs. 20/3873) sei unzureichend. Alle Sanktionen schmälerten das einkommens- und vermögensgeprüfte Existenzminimum, verletzten so den Bedarfsdeckungsgrundsatz und seien kontraproduktiv für die Vermittlung in gute, nachhaltige Arbeit. Sanktionen verhinderten umfassende soziale Teilhabe.
Demokratischer Gestaltungsspielraum
Das Bundesverfassungsgericht habe zwar geurteilt, dass Sanktionen in begrenztem Maß verfassungsrechtlich möglich seien, aber dass ebenso komplett auf Sanktionen verzichtet werden könne. Der demokratische Gestaltungsauftrag, ob es Sanktionen geben soll, liege beim Gesetzgeber.
In seinem Entscheidungsspielraum liege die Frage, „ob und wie Pflichtverletzungen nach § 31 Abs. 1 SGB II sanktioniert werden […], ob er [der Gesetzgeber] weiterhin Leistungsminderungen zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten vorgeben und in unterschiedlicher Höhe ansetzen will.“ (BVerfG ebd., Rz. 224).
Die Entscheidung über Sanktionen sei eine politische Aufgabe und könne nicht ans Bundesverfassungsgericht delegiert werden, so die Begründung der Fraktion Die Linke.
Mangellagen infolge von Sanktionen
Die Auswirkungen auf die Lebenslagen sanktionierter Menschenseien breit dokumentiert und gravierend: Sanktionen reduzierten die Höhe des ausgezahlten Existenzminimums, obwohl dieses laut Bundesverfassungsgericht ohnehin schon äußerst knapp bemessen sei (BVerfG vom 23.7.2014 – 1 BvL 10712). Durch die niedrige Festlegung des soziokulturellen Existenzminimums werde im Falle einer Kürzung von Leistungen das Existenzminimum stets unterschritten, selbst wenn es sich wie bei einer Sanktion wegen eines versäumten Termins „nur“ um eine Kürzung von zehn Prozent handele. Auch eine Unterschreitung von zehn Prozent führe unter das Existenzminimum. Es gebe hier keinen Sicherheitsabstand, vielmehr liege das geltende Existenzminimum schon „an der Grenze dessen, was […] verfassungsrechtlich gefordert ist“ (BVerfG ebd., Rz. 121). Die Folgen von Sanktionen für das Leben der Betroffenen reichten von Verschuldung und Isolation über Mangelernährung, psychischen Erkrankungen und Stromsperren bis hin zum Wohnungsverlust.
Die Begrenzung auf eine Sanktionierung von maximal 30 Prozent des Regelbedarfs, die das Bundesverfassungsgericht 2019 angeordnet habe (BVerfG vom 5.11.2019, 1 BvL 7/16), löse nur einen Teil der massivsten Probleme. In bestimmten Konstellationen bliebe z. B. der Verlust der Wohnung möglich.
Kontraproduktive Wirkung von Sanktionen auf arbeitsmarktpolitische Ziele
Weiter führt die Fraktion Die Linke aus, dass die sogenannte „Aktivierung“, die durch Sanktionen bewirkt werden solle, arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv sei. Dieses Instrument sei ohne empirische Prüfung aus dem Bundessozialhilfegesetz und dem früheren SGB III übernommen worden.
Einzelheiten können in der entsprechenden Bundestagsdrucksache nachgelesen werden.