Die Erhöhung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2024 sorgte für Diskussionen. Eine neue Studie im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zeigt jedoch überraschende Ergebnisse: Trotz der Anhebung reicht der aktuelle Regelsatz nicht aus, um den Kaufkraftverlust der letzten Jahre auszugleichen. Alleinstehende und Familien haben demnach immer noch weniger zur Verfügung, als für die Sicherung des Existenzminimums nötig wäre. Die Studie wirft ein neues Licht auf die Debatte um die Angemessenheit der Bürgergeld-Erhöhung und fordert eine Neubewertung der Berechnungsmethoden.
Inflation ist zurückgegangen – Bürgergeld deshalb zu hoch?
Eine neue Studie im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zeigt: der Bürgergeld Regelsatz liegt im Defizit.
Der Bürgergeld Regelsatz sei bei der letzten Erhöhung Anfang 2024 unverhältnismäßig angehoben worden. Die Inflation sei drastisch gesunken. Man sei bei der Festlegung des Regelsatzes von einer ganz anderen Inflationsrate für Januar 2024 ausgegangen. Das sind die Argumente der Kritiker der Bürgergeld Erhöhung.
Und tatsächlich: die Erhöhung des Bürgergeldes war diesmal auch rechnerisch weitaus höher, als es zum Ausgleich der Inflation notwendig gewesen wäre.
Doch es gibt ein Aber! Denn: obwohl die beiden letzten Anhebungen des Bürgergeldes recht deutlich ausfielen, konnten sie – auch zusammengenommen – den Verlust der Kaufkraft, den die bedürftigen Menschen zuvor hatten erleiden müssen, nicht ausgleichen. Dies geht aus einer Berechnung der Ökonomin Irene Becker vor, über die im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ berichtet wird. Auftraggeber war der Paritätischen Gesamtverband. Dieser hat die Auswertung nun Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) übergeben. Der Paritätische Gesamtverband fordert gleichzeitig eine Leistungsverbesserung im Bereich Bürgergeld.
Berechnung belegen: Bürgergeldempfänger haben zu wenig Geld im Portemonnaie
Nach den neuen Berechnungen zeigt sich folgendes:
- Eine alleistehende Person hatte in den vergangenen 3 Jahren insgesamt 1012 Euro weniger zur Verfügung, als es zur Absicherung des Existenzminimums nötig gewesen wäre.
- Eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern hatte 3444 Euro weniger, als zur Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums notwendig gewesen wären.
Aufgrund der gegenwärtigen (relativ hohen) Regelsätze des Bürgergeldes werden sich diese Unterversorgung bis Ende 2024 verringern. Allerdings ausgeglichen sein werden sie nicht, wenn man von den gegenwärtig vorliegenden Inflationszahlen ausgeht und sie hochrechnet.
- Eine alleinstehende Person wird eine Unterdeckung von 867 Euro haben.
- Eine vierköpfige Familie wird eine Unterdeckung von 2941 Euro haben.
Preisentwicklung in den vergangenen vier Jahren wirkt beim Bürgergeld bis in die Gegenwart
In der 2. Hälfte 2020 wurde die Mehrwertsteuer gesenkt. Dadurch flachte sich das Preisniveau ab. Menschen im Grundsicherungsbezug (heute Bürgergeld) profitierten besonders stark davon. Anfang 2021 schnellten die Preise dann jedoch rapide und drastisch in die Höhe.
Neuberechnung Regelsatzes durch Verbrauchsstichproben nur alle 5 Jahre
Der Regelsatz der Grundsicherung, des Bürgergeldes, wurde von den Grundlagen her im Jahr 2020 für 2021 neu berechnet. Das geschieht alle 5 Jahre. Dier dem Regelsatz zugrundeliegende Warenkorb wird durch eine Verbrauchsstichprobe neu zusammengestellt und berechnet. In den Zwischenjahren erfolgt die Anpassung ausschließlich rechnerisch. Jene Rechenformel berücksichtigt die Lohnentwicklung und auch (im größeren Maß) die Inflation.
Der „Fehler“ liegt in der Berechnungsmethode des Bürgergeldes, die auf zu lang zurückliegende Daten zugreift: Der Regelsatz des Bürgergeldes für 2022 wurde durch die niedrigen Preise aus dem 2. Halbjahr 2020 berechnet. Nur der Mitberücksichtigung der Lohnentwicklung war es zuzuschreiben, dass eine Erhöhung erfolgt, um 3 Euro bzw. 0,77 Prozent. Die für die Bürgergeld Bezieher maßgebende Inflationsrate lag jedoch seinerzeit bei ca. 16 Prozent!
Fazit: Was folgt aus der Untersuchung?
- Die jeweilige Berechnung des Bürgergeld Regelsatzes hinkt der Zeit zu lange hinterher.
- Die zweifache Erhöhung des Bürgergeldes 2023 und 2024 konnte die zu niedrige Anpassung des Regelsatzes in den Jahren davor bisher nicht ausgleichen.
- Die Bürgergeld Erhöhung 2024 war somit keinesfalls zu hoch, sondern zu niedrig. Die Bürgergeld Bezieher müssen immer noch das Defizit des vom Staat zur Verfügung gestellten Geldes zur Sicherung des Existenzminimums tragen.
- Forderung: Der Bürgergeld Regelsatz muss sofort auf 813 Euro angehoben werden!