Die Problematik mit den Kosten für Strom beim Bürgergeld weitet sich aus. Immer mehr Bedarfsgemeinschaften sind nicht mehr in der Lage, die Jahresrechnung und die Abschläge für Strom zu bezahlen. Die Stromkosten verdoppeln und verdreifachen sich.
Das Problem: Strom muss vom Bürgergeld Regelsatz bezahlt werden
Strom für den Haushalt muss, so sieht es das Bürgergeld-Gesetz vor, vom Regelsatz beglichen werden. Für eine alleinstehende Person sind im Regelsatz knapp 41 Euro für Haushaltsstrom berechnet. Dieser Betrag reicht aber nicht aus, um die Kosten für Strom in einem durchschnittlichen Ein-Personen-Haushalt zu bezahlen. Auch die Strompreisbremse hilft da nicht. Es liegt eine Unterdeckung für den Bereich Strom im Regelsatz vor, der notgedrungen aus anderen Bereichen des Regelsatzes ausgeglichen werden muss. Angesichts der sehr hohen Inflationsrate in Deutschland ist dies aber so gut wie nicht möglich.
Was tun, wenn der Strom nicht bezahlt werden kann?
Wenn die Kosten für Strom nicht mehr beglichen werden können, droht eine Liefersperre des Energieunternehmens. Was kann man tun?
Antrag auf Mehrbedarf aufgrund unabweisbaren besonderen Bedarfs stellen (Härtefall)?
Nach § 21 Abs. 6 SGB II kann das Jobcenter einen Mehrbedarf anerkennen, wenn im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht. Handelt es sich um einen einmaligen Bedarf, darf ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich sein.
Die Unabweisbarkeit des Mehrbedarfs liegt vor, wenn der Mehrbedarf insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Es ist allerdings sehr zweifelhaft, ob das Jobcenter die Stromkosten als unabweisbaren besonderen Bedarf anerkennt. Das dürfte schon deshalb nicht der Fall sein, weil die Stromkosten insgesamt gestiegen sind (und zwar durchschnittlich um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und deshalb keine Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf vorliegt.
Ein Antrag nach § 21 Abs. 6 SGB II dürfte deshalb voraussichtlich kein gangbarer Weg sein.
Antrag auf Darlehen vom Jobcenter nach § 24 Abs. 1 SGB II für Stromnachzahlung
Hinsichtlich einer Nachzahlung aufgrund der Jahresrechnung des Stromlieferanten, kann ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II beim Jobcenter beantragt werden. Ein Darlehen für die Stromkosten ist hilft jedoch nicht bei stark erhöhten laufenden Abschlagszahlungen. Zudem muss ein Darlehen zurückgezahlt werden, und das würde zu Lasten des Regelsatzes gehen.
Gesetzgeber gefordert: Regelsatz muss hinsichtlich Stromkosten schnellstmöglich angepasst werden
Letztendlich scheint der Gesetzgeber gefordert. Er muss schnellstmöglich den Regelsatz an die Entwicklung der Strompreise anpassen, nicht erst mit der nächsten regulären Erhöhung des Regelsatzes zum 1. Januar 2024, sondern schon in diesem Jahr.
Oder er muss Zuschüsse zu den Stromkosten gewähren.
Dies kann aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gefolgert werden. Das höchste deutsche Gericht hatte bereits im Jahr 2014 auf die Pflicht des Gesetzgebers zum kurzfristigen Tätigwerden bei einer Diskrepanz von Preisentwicklung und Regelsatz hingewiesen. Wir zitieren aus BVerfG 23.7.2014 – 1 BvL 10/12; 1 BvL 12/12; 1 BvR 1691/13; Rn. 144.:
„Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren. So muss die Entwicklung der Preise für Haushaltsstrom berücksichtigt werden (…) . Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.“
Zusammenfassung Bürgergeld und Stromkosten
Das Wichtigste zum Schluss kurz notiert:
Wenn ein Bezieher von Bürgergeld seine Stromkosten nicht bezahlen kann, kann er folgendes tun:
- eine Antrag auf Mehrbedarf zum Bürgergeld hinsichtlich der Stromkosten aufgrund Härtefall stellen
- einen Antrag auf ein Bürgergeld Darlehen beim Jobcenter zur Übernahme der Stromkosten – Nachzahlung stellen
- Aber: Es ist zweifelhaft, ob diese Anträge zielführend sind. Der Gesetzgeber ist gefordert; der Bürgergeld-Regelsatz muss erhöht werden.
Unser Redaktionsmitglied Dirk van der Temme (Jahrgang 1973) hat in Düsseldorf Diplom-Sozialarbeit studiert und erfolgreich abgeschlossen. Schon als Schüler hat er sich sozial engagiert und die Liebe zu den Menschen beibehalten. Er hat die Entwicklung der Sozialhilfe, die Hartz Gesetze und die Einführung des Bürgergeldes mit großem Interesse verfolgt. Seine Beiträge in unserem Magazin zeigen, dass er weiß, worüber er schreibt.