Bürgergeld: Wie viel zusätzliches Geld für Trennungskinder vom Jobcenter?

Wenn sich Mutter und Vater, die getrennt leben, mit der Betreuung der Kinder abwechseln, welche Ansprüche auf Bürgergeld haben dann die Kinder?

Bürgergeld: Wie viel zusätzliches Geld für Trennungskinder vom Jobcenter?

Eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft liegt vor, wenn Kinder zeitweise bei einem Elternteil leben, in der anderen Zeit bei dem anderen Elternteil. Beispiel: Unter der Woche wohnen die Kinder bei der Mutter, am Wochenende beim Vater. Anderes Beispiel: In einer Woche leben die Kinder beim Vater, in der folgenden Woche bei der Mutter usw.

Die Frage, die sich bei einer temporären Bedarfsgemeinschaft auftut ist die, wem das Bürgergeld für das Kind oder die Kinder zusteht. Der Mutter, dem Vater oder beiden? Wenn beiden, in welchem Verhältnis steht den Elternteilen das Bürgergeld für die Kinder zu?

Zu diesen Fragen gibt es eine jüngere Entscheidung des Bundessozialgerichts unter dem Az B 7 AS 13/22 R.

Wir stellen das Urteil in nachfolgendem Beitrag vor.

Bürgergeld für Kinder bei getrenntlebenden Elternteilen

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Wie wird das Bürgergeld für Trennungskinder berechnet, die abwechselnd bei Vater und Mutter leben? Stichwort: temporäre Bedarfsgemeinschaft.

Der Entscheidung des Bundessozialgerichts lag der Fall von zwei 12 und 9 Jahre alten Kindern zugrunde. Sie lebten an mehreren Tagen pro Woche, auch an Schul- und Werktagen, beim Vater. Seinerzeit ging es noch um das alte Sozialgeld, heute das Bürgergeld für Kinder.

Das Jobcenter hatte die Bedarfe der Kinder taggenau ermittelt und bewilligte ihnen nur für die Tage Leistungen (Regelbedarf, Bedarf für Unterkunft und Heizung, Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwassererzeugung), an denen sie sich im Haushalt ihrer Mutter aufhielten. Die Mutter bezog ebenfalls Leistungen nach dem SGB II (heutiges Bürgergeld).

Das Sozialgericht hatte das Jobcenter verurteilt, den Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Kürzungen des Regelsatzes und des Mehrbedarfs für dezentrale Wassererzeugung zu gewähren.

Das Landessozialgericht hat das Urteil des Sozialgerichts abgeändert und das Jobcenter verurteilt, den Kindern Leistungen unter Berücksichtigung von Mehrbedarfen nach § 21 Absatz 6 SGB II (Bürgergeld Gesetz) in Höhe der tagesanteiligen Beträge der Abteilungen 3 (Bekleidung und Schuhe), 4 (Energie und Wohnungsinstandhaltung), 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung) und 8 (Post und Telekommunikation) gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 2 Regelbedarfsermittlungsgesetz nur für die Tage zu gewähren, an denen sie sich nicht im Haushalt ihrer Mutter aufgehalten haben. Begründung: Durch regelhafte Aufenthalte der Kläger in zwei Wohnungen mit mehreren Wechseln in der Woche entstünden zusätzliche, erhebliche Bedarfe, die nicht vom Regelbedarf abgedeckt seien. Dieser Mehrbedarf sei durch taggenau ermittelte Beträge der genannten Abteilungen abzudecken.


Bundessozialgericht verwies das Klageverfahren an das Sozialgericht zurück

Das Bundessozialgericht sah sich nicht in der Lage, eine abschließende Entscheidung zu treffen, da weitere Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht erforderlich seine.

Es stellte aber folgendes fest:

Die Kinder seien als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit ihrer aufstockend SGB II-Leistungen beziehenden Mutter grundsätzlich leistungsberechtigt. „Zur Bedarfsgemeinschaft gehören die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. „ – so das Bundessozialgericht.

Dies sei in einer aus den Kindern und ihrer Mutter gebildeten (Haupt-)Bedarfsgemeinschaft im Grundsatz der Fall.

Es fehlten allerdings Feststellungen, die die Beurteilung des gewählten Betreuungsmodells erlaubten. Insbesondere sei unklar, ob zwischen den Eltern ein sogenanntes paritätisches Wechselmodell mit einer etwa hälftigen Aufteilung der Betreuungs- und Erziehungszeiten vereinbart war oder ob die Betreuung überwiegend durch die Mutter erfolgte. Zwar könnte in beiden Fällen, die Leistungsberechtigung des Vaters insoweit unterstellt, eine temporäre Bedarfsgemeinschaft der Kinder mit ihrem Vater anzunehmen sein.

Die Höhe der Ansprüche der Kinder seien aber wegen der vorzunehmenden horizontalen Bedarfsberechnung auch vom Umfang der Ansprüche der Mutter abhängig. Diese seien aber unterschiedlich, je nach Betreuungsmodell – etwa im Hinblick auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende.

Außerdem sei nicht klar, ob der Vater Ansprüche nach dem SGB II habe. Wenn das nicht der Fall sein sollte, wären die Kinder nicht Mitglied von zwei Bedarfsgemeinschaften. Für eine Aufteilung der pauschalierten Regelbedarfe fehle es in diesem Fall an einer gesetzlichen Grundlage.

Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II als Umgangsmehrbedarf fraglich

Ob der Umgangsmehrbedarf auf der Grundlage des geltenden Rechts pauschaliert werden könne, hält das Bundessozialgericht für fraglich. Der entstehungsgeschichtlich geprägte Sinn und Zweck der Norm, ihr Wortlaut sowie die Systematik der Regelung stünden der (vom Landgericht vorgenommenen) Pauschalierung von Mehrbedarfen der Kinder in der Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter in Zeiten der zeitweisen Zugehörigkeit zur – insoweit unterstellten – Bedarfsgemeinschaft mit dem Vater sowohl hinsichtlich des “Ob“ als auch in Bezug auf ihre Höhe entgegen.

Erforderlich sei vielmehr ein besonderer, unabweisbarer Bedarf aufgrund der konkreten Lebenssituation.


Zusammenfassung zu Bürgergeld für Trennungskinder

Das Wichtigste zum Schluss kurz zusammengefasst:

  • Bezieht nur der Elternteil Bürgergeld, der die Kinder überwiegend betreut, ist das Bürgergeld für die Kinder diesem ungekürzt auszuzahlen. Das gilt auch, wenn sich die Kinder mehrere Tage pro Woche beim anderen Elternteil aufhalten.
  • Eine Anrechnung der Umgangstage bei dem anderen Elternteil ist jedoch möglich, wenn dieser ebenfalls Leistungen vom Jobcenter erhält.