Das Bürgergeld mit den Änderungen im SGB II und seiner Abkehr vom Hartz IV System stellt eine sozialpolitische Reform dar. Die Menschen, die Leistungen beziehen, sollen die Möglichkeit bekommen, sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche zu fokussieren.
Das Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich Hartz IV genannt) und das Sozialgeld gibt es nicht mehr.
Karenzzeiten für Wohnen und Vermögen
Damit die Leistungsberechtigten sich weitgehendst auf die Arbeitssuche fokussieren können und gleichzeitig ihre Existenz gesichert wissen, bestehen im ersten Jahr des Leistungsbezugs Karenzzeiten für Wohnen und für den Einsatz von angespartem Vermögen. In diesem Jahr wird bei der Bedürftigkeitsprüfung Vermögen nicht in vollem Umfang berücksichtigt. Das Schonvermögen ist somit angehoben worden..
Das gilt auch für selbst genutztes Wohneigentum. Es wird unabhängig von seiner Fläche von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen. Zudem werden die Aufwendungen für Unterkunft in diesem Zeitraum in tatsächlicher Höhe anerkannt. (Heizkosten müssen jedoch angemessen sein.) Das gilt auch und insbesondere für Mietwohnungen.
Schonvermögen: bessere Vermögensfreistellung
Im ersten Jahr des Bezugs von Bürgergeld gelten für die Vermögensprüfung höhere Freibeträge.
Die Vermögensprüfung ist jedoch auch nach Ablauf der Karenzzeit entbürokratisiert worden. Die Freibeträge für die Bürgergeldbeziehenden wurden angehoben. Bei selbstgenutzten Hausgrundstücken oder Eigentumswohnungen wurden zudem anerkannten Wohnflächen in größerem Umfang als zur Zeiten von Arbeitslosengeld II berücksichtigt. Außerdem wurde die Liste der komplett freigestellten Vermögensgegenstände erweitert. Beispielsweise werden alle Versicherungsverträge, die der Alterssicherung dienen, nicht als Vermögen berücksichtigt.
Erhöhte Freibeträge für Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende
Im Rahmen des Bürgergeldes und der Reform des SGB II werden die Grundabsetzbeträge für Schüler, Studierende und Auszubildende erhöht. Es soll die Erfahrung vermittelt werden, dass sich eine Arbeitsaufnahme lohnt. Hierdurch werden auch die Chancen für Kinder und Jugendliche verbessert. Die Ungleichheit zwischen Kindern und Jugendlichen aus hilfebedürftigen Familien und solchen, die es nicht sind, wird verringert. Für Studierende und Auszubildende wird so zudem der Anreiz zur Aufnahme bzw. zum Aufrechterhalten einer Beschäftigung erhöht.
Kooperationsplan zur Verbesserung der Teilhabe – aber ohne Vertrauenszeit
Die bisherige Eingliederungsvereinbarung im SGB II wurde durch einen von Leistungsberechtigen und Integrationsfachkräften gemeinsam erarbeiteten Kooperationsplan abgelöst. Dieser Kooperationsplan dokumentiert in klarer und verständlicher Sprache die gemeinsam entwickelte Eingliederungsstrategie. Er steuert den Eingliederungsprozess und ist somit ein Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes. An ihn sind weniger rechtliche Folgen geknüpft als an die ehemalige Eingliederungsvereinbarung.
Im Kooperationsplan werden auch Mitwirkungspflichten vereinbart. Das sind insbesondere Eigenbemühungen, die Teilnahme an Maßnahmen und Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge des Jobcenter. Um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit durch das neue Bürgergeldgesetz zu stärken, wird die Selbstverantwortung der Leistungsberechtigten und ihre Vertrauensbeziehung zur Integrationsfachkraft gestärkt.
Mit dem Abschluss des Kooperationsplans sollte ursprünglich eine Vertrauenszeit gelten. Für die ersten sechs Monate der Vertrauenszeit sollte den Bürgergeldbeziehern garantiert werden, dass keine Anordnung von Maßnahmen mit Rechtsfolgenbelehrung ergehen. In diesem Zeitraum sollte ausschließlich auf eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit gegenseitigem Vertrauen gebaut werden. Nur und erst, wenn nach den ersten sechs Monaten der Vertrauenszeit Absprachen zu Mitwirkungspflichten, also Eigenbemühungen, die Teilnahme an Maßnahmen und Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge nicht eingehalten werden, sollten diese Mitwirkungspflichten rechtlich verbindlich durch Aufforderungen mit Rechtsfolgenbelehrungen festgelegt werden. Diese Vertrauenszeit wurde während des Gesetzgebungsverfahrens auf drängen der CDU/CSU aus der Gesetzesvorlage gestrichen.
Grundvoraussetzung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bürger und Jobcenter, also den Integrationsfachkräften, ist die Wahrnehmung von Beratungsterminen und eine offene Kommunikation. Einladungen ins Jobcenter können aus diesem Grunde weiterhin mit Rechtsfolgen verknüpft werden. Im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit ist der kommunikative Austausch zwischen Integrationsfachkräften und Bürgergeld-Beziehern aber auch formlos und ohne Verbindung mit Rechtsfolgen möglich. Falls es Konflikte im Zusammenhang mit der Erarbeitung, Durchführung und Fortschreibung des Kooperationsplans gibt, greift ein unabhängiger Schlichtungsmechanismus.
Coaching: ganzheitliche Betreuung
Zur Verbreiterung ihres Förderspektrums ist es der Agentur für Arbeit oder einem durch diese beauftragten Dritten nunmehr möglich eine ganzheitliche Betreuung, genannt Coaching, durchführen. Das Coaching hat das Ziel eines grundlegenden Aufbaus der Beschäftigungsfähigkeit von erwerbsfähigen Bürgergeldbeziehern, die aufgrund von komplexen Problemlagen eine besondere Marktferne aufweisen. Das Coaching kann auch aufsuchend oder beschäftigungsbegleitend erfolgen.
Abschaffung des Vermittlungsvorrangs
Das Bürgergeldgesetz hat den Vermittlungsvorrang im SGB II abgeschafft. Die Bedeutung der Dauerhaftigkeit der Eingliederung in Arbeit auch bei der Auswahl der Leistungen zur Eingliederung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist gestärkt worden. Der Einsatz der Eingliederungsinstrumente des SGB II sollen lediglich kurzfristige Beschäftigungen vermeiden und die Chancen auf nachhaltige Integrationen soll gestärkt werden. Um dies zu erreichen sind für die gesetzlichen Regelungen des SGB II ein Gleichklang mit der Regelung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) hergestellt worden.
Weiterbildungsgeld
Um weitere Anreize zu schaffen, Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung zu fördern und ihnen damit den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt und zu den am Arbeitsmarkt besonders nachgefragten Berufen zu ermöglichen, erhalten Teilnehmende an einer berufsabschlussbezogenen Weiterbildung im SGB II und SGB III künftig ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro, wenn sie entweder arbeitslos sind oder als Beschäftigte aufstockende SGB II-Leistungen beziehen. Die bisherigen Fristen Prämienregelungen für den erfolgreichen Abschluss der Zwischen- und Abschlussprüfung sind abgeschafft worden. Das Weiterbildungsgeld gibt es ab dem 1. Juli 2023.
Berufliche Weiterbildung und Bürgergeldbonus
Durch die Neuregelung im SGB II und SGB III ist es nun möglich, bei Bedarf in drei Jahren eine Umschulung im Rahmen einer geförderten beruflichen Weiterbildung zu besuchen anstatt wie bisher in zwei Jahren. Für die Teilnahme an Maßnahmen, die für eine nachhaltige Integration von besonderer Bedeutung sind, ist im SGB II (Bürgergeldgesetz) ein Bürgergeld Bonus in Höhe von monatlich 75 Euro eingeführt worden.
Sanktionen – neu geregelt
Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Neuregelung der Leistungsminderungen, also der Sanktionen, gefordert. Dies hat das Bürgergeldgesetz nunmehr umgesetzt. Der Neuregelung der Sanktionen basiert auf dem durch das BVerfG bestätigten Leitgedanken, dass der Gesetzgeber an Mitwirkungspflichten der Bezieher von staatlichen Sozialleistungen festhalten und sie mit verhältnismäßigen Mitteln durchsetzbar ausgestalten darf.
Die Sanktionen sind nunmehr wie folgt geregelt:
Die Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs des Bürgergeldes. Dabei werden Kosten der Unterkunft und Heizung nicht gemindert.
Eine Leistungsminderung gibt es nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde.
Leistungsminderungen müssen aufgehoben werden, wenn die Leistungsberechtigten die Mitwirkungspflichten nachträglich erfüllen oder glaubhaft erklären, ihren Pflichten nachzukommen.
Die bisherigen verschärften Sonderregelungen für Leistungsbezieher unter 25 Jahren sind entfallen. Die Jobcenter sind jetzt gehalten – im Fall einer Minderung für diesen Personenkreis – ein Beratungs- und Unterstützungsangebot machen.
Die Leistungsberechtigten haben die Möglichkeit, die Umstände ihres Einzelfalles persönlich vorzutragen. Verletzen sie wiederholt ihre Pflichten oder versäumen Meldetermine, soll das Jobcenter sie aufsuchend beraten.
Entfristung des Sozialen Arbeitsmarktes
Der Soziale Arbeitsmarkt ist entfristet worden und nunmehr auf Dauer angelegt. Mit dem Teilhabechancengesetz ist zum 1. Januar 2019 die Förderung „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16i SGB II als Regelinstrument in das SGB II aufgenommen. Ziel dieser Förderung ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen („Sozialer Arbeitsmarkt“).
Mittel- bis langfristiges Ziel ist, einen Übergang in eine ungeförderte Beschäftigung zu erreichen.
Bisher galt hier eine Frist bis Ende 2024.
Bagatellgrenze
Zur Entlastung der Verwaltung und Rechtsvereinfachung ist eine sogenannte Bagatellgrenze für Rückforderungen eingeführt worden.
Kein Übergangsgeld bei medizinischer Reha
Für Beziehende von Bürgergeld gibt es einen Anspruch auf Übergangsgeld gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung während der Teilnahme an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht mehr. Grund: Es bedarf keines Entgeltersatzes in Form von Übergangsgeld mehr.
Anpassungen im SGB XII – Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit und im Alter
Im SGB XII, also bei der Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit und im Alter, wird die Weitergeltung der Karenzzeit von zwei Jahren für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Anschluss an die erleichterten Bedingungen des Sozialschutz-Pakets I festgeschrieben. Die Vorschriften zur Anerkennung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung werden an die entsprechenden Vorschriften der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II, Bürgergeld) angeglichen..
In § 82 SGB XII wird sowohl das Mutterschaftsgeld, als auch Einkommen aus so genannten „Schüler-Jobs“ von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen.
Der der Vermögensschonbetrag wird von 5 000 Euro auf 10 000 Euro erhöht und es wird ein angemessenes Kraftfahrzeug von der Vermögensanrechnung ausgenommen.
Anpassungen im Sozialen Entschädigungsrecht (BVG, KFürsV, SGB XIV)
Aufgrund eines Verweises auf das Dritte Kapitel SGB XII wirkt sich im Sozialen Entschädigungsrecht die dort geregelte Weitergeltung der Karenzzeit von zwei Jahren für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auf die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt im Bundesversorgungsgesetz (BVG) aus. Dies gilt auch für die sonstigen Anpassungen bei den Vorschriften zur Berücksichtigung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung im SGB XII.
Die im SGB II und im SGB XII nunmehr geregelten Verbesserungen bei der Einkommensberücksichtigung werden im BVG nachvollzogen: Das Mutterschaftsgeld wird von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen, ebenso das Erwerbseinkommen von Schülern während der Ferienzeit, aus sogenannten „Ferienjobs“.
Durch eine Verbesserung der Freibetragsregelung in der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV) wird das Erwerbseinkommen von Schülern außerhalb der Ferienzeiten, ebenso das Erwerbseinkommen von Studierenden und von Auszubildenden zu einem großen Teil anrechnungsfrei gestellt. Somit wird auch im Sozialen Entschädigungsrecht für diesen Personenkreis der Ansporn erhöht, eine Beschäftigung aufzunehmen oder weiter auszuüben.
Außerdem wird auch im Sozialen Entschädigungsrecht der Vermögensschonbetrag erhöht, damit die Vermögensschonbeträge im BVG gegenüber den Schonbeträgen der Sozialhilfe weiterhin großzügiger ausgestaltet sind, um der besonderen Lebenslage der Betroffenen und der Zielsetzung des Sozialen Entschädigungsrechts angemessen Rechnung zu tragen.
Bürgergeld Änderungen 2024
Auch in 2024 gibt es einige Änderungen beim Bürgergeld.
Zum einen hat es eine spektakulärer Erhöhung des Bürgergeld Regelsatzes, der Regelbedarfsstufen gegeben.
Außerdem werden die Sanktionen verschärft. Es ist eine komplette Streichung des Regelsatzes für 2 Monate bei einer Arbeitsverweigerung vorgesehen.
Sabine Martholt hat Recht und Journalismus studiert und fundierte Kenntnisse im Bereich des Sozialrechts und des Rentenrechts. Beide Rechtsgebiete sind gleichzeitig ihr Hobby, wie sie gern verrät. Bereits vor ihrem ersten Volontariat bei einer Zeitung hat sie sich dem Schreiben gewidmet. Die Entwicklung des Sozialrechts in Deutschland hat sie mit großer Aufmerksamkeit, manchmal aber auch mit Kopfschütteln verfolgt – wie sie selbst sagt. Sie schreibt seit vielen Jahren für unser Online-Magazin. Gute Recherche und die eigene Meinung – beides ist ihr wichtig.