Habe ich einen Anspruch auf Bürgergeld als Freigänger in einer Justizvollzugsanstalt?

  • Heyho ,


    ich befinde mich z.Z in einer JVA im offenen Vollzug als Freigänger . Vor meiner Inhaftierung habe ich an einer Weiterbildung mit Bildungsgutschein teilgenommen. Da es mir im offenen Vollzug möglich ist einer Beschäftigung nachzugehen sowie Ich das Haus selbständig für Behördengänge verlassen darf, hatte ich die Hoffnung diese Weiterbildung fortzusetzen.


    Leider kam heute der Ablehnungsbescheid vom Jobcenter mit der Begründung:


    "Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil Sie als Freigänger, denen Vollzugslockerungen zum Zweck der Arbeitssuche bzw. Arbeitsaufnahme eingeräumt wurden sind von Leistun- gen nach dem SGB II grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn Sie tatsächlich eine mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung ausüben (gemäß § 7 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 SGB II).

    Die Entscheidung beruht auf Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). "


    Ich habe den Antrag zum 1.1.2023 gestellt, mit der Hoffnung und diese beruht auf meiner Recherche im Internet, das ich mit dem Bürgergeld als Freigänger in einer JVA Anspruch hätte,


    Zu finden z.b. hier: https://www.buerger-geld.org/


    unter Ausnahme: kein Anspruch auf Bürgergeld steht:


    "Auch Personen, die in einer (voll-)stationären Einrichtung untergebracht sind haben keinen Anspruch auf das Bürgergeld für erwerbstätige Menschen.


    Das gilt etwa für Gefangene oder Menschen, die sich längere Zeit im Krankenhaus aufhalten müssen. Sie erhalten Bürgergeld unter anderen, an ihre Situation angepasste Voraussetzungen. Eine Ausnahme besteht aber bei einem Krankenhaus- bzw. Reha-Aufenthalt von voraussichtlich weniger als 6 Monaten oder für Freigänger."


    Freigänger bin ich und habe dies zusammen mit einer Bestätigung von der JVA das ich mehr als 15h die Woche arbeiten darf dem Jobcenter zusammen mit meinem Antrag gesendet.


    Jetzt ist meine Frage, verstehe ich das mit dem Bürgergeld falsch und ich habe wirklich keinen Anspruch , ist die Information von

    https://www.buerger-geld.org/ nicht richtig oder gibt es noch Hoffnung für mich und wenn Ja was sollte ich als nächstes machen.


    Vielen Dank und liebe Grüße

    Zoe

  • Die Entscheidung des Jobcenters ist aus meiner Sicht nicht zu beanstanden und deckt sich mit der gültigen Weisungslage im SGB II:

    https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba01…BCgung%20stehen.

    (Seite 48 und 52)

    Durch das Bürgergeld-Gesetz sind die maßgeblichen Bestimmungen des § 7 SGB II (Leistungsberechtigte) nicht geändert worden.

    Ich verstehe. dann ist es leider so. Aber wieso verstehe ich den Satz auf der Website welche zu diesem Forum gehört nicht richtig .

    Lg

  • Bei der obergerichtlichen Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg muss man prüfen, wie die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung war. Die Entscheidung ist aus dem Jahre 2009 und bezog sich auf die Rechtslage vom 01.04.2005 bis zum 23.03.2006, wie dem Tenor zu entnehmen ist. Dazu muss man wissen, dass die hier entscheidungserhebliche Norm des § 7 Abs. 4 SGB II im Laufe der Jahre mehrfach geändert wurde. Ein Änderungsverzeichnis ist hier abrufbar unter "Frühere Fassungen von § 7 SGB II": https://www.buzer.de/7_SGB_II.htm

    Die verlinkte Seite aus Berlin beschreibt nur etwas Grundsätzliches zum Leistungsanspruch, geht aber nicht darauf ein, wer von Leistungen nach § 7 Abs. 4 SGB II ausgeschlossen ist.

    Insofern verstehe ich, dass du dir Hoffnungen gemacht hast, kann dir aber leider keine bessere Nachricht übermitteln.

    „Truth is the first casualty in war” - Ethel Annakin

  • alles klar danke dir :)

    aber was bedeutet dieser Satz von der Berliner Seite :

    "Inhaftierte haben grundsätzlich bereits ab dem Tag ihres Haftantritts keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II; es sei denn, sie sind als Freigänger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden die Woche erwerbstätig."

  • Zitat von Jobcenter Berlin

    Inhaftierte haben grundsätzlich bereits ab dem Tag ihres Haftantritts keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II; es sei denn, sie sind als Freigänger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden die Woche erwerbstätig.

    Noch einmal nachgelesen, denn du meinst den obigen Satz. Der deckt sich gerade nicht mit den Weisungen der Bundesagentur für Arbeit.

    „Truth is the first casualty in war” - Ethel Annakin

  • In den Weisungen der Bundesagentur für Arbeit heißt es:

    Zitat

    (1) Geht die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens
    für 15 Stunden wöchentlich einer Beschäftigung nach, liegt kein Leistungsausschluss vor (§ 7 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 SGB II).
    Dies gilt nicht für Freigänger und beim Vollzug von Maßregeln zur Besserung und Sicherung, auch wenn die Personen tatsächlich eine
    mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung ausüben.
    Die Rückausnahme vom Leistungsausschluss gilt nur für die
    Unterbringung in einer stationären Einrichtung, nicht aber für den Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter
    Freiheitsentziehung (Rz. 7.95).

    Was Berlin schreibt, steht in Widerspruch zur Weisung aus Nürnberg, die das Jobcenter Berlin zu beachten hat.

    „Truth is the first casualty in war” - Ethel Annakin

  • alles klar vielen dank :). bin schon die ganze nacht am googeln und komme nicht wirklich weiter -_-. mir geht es dabei wirklich nicht um das Geld vom Jobcenter sondern um die Möglichkeit diese Weiterbildung fortzusetzen. Ich habe schon so viel geschafft und naja im Knast denkt man viel nach. Es wäre sau dumm das jetzt wegzuschmeißen :(

  • Okay, ich habe das jetzt geprüft und die Lösung gefunden. Der nachstehende Kommentar geht auf die von mir oben angedeutete Gesetzesänderung ein und schreibt:

    Zitat von Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, Rz. 152-154 zu § 7 SGB II

    Mit dieser Ergänzung soll nach den Gesetzesmaterialien klargestellt werden, dass Personen, die sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten – die also der Regelung des Abs. 4 S. 2 unterfallen –, auch dann nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II sein sollen, wenn sie als "Freigänger einer Beschäftigung im normierten Umfange nachgehen (vgl. hierzu BT-Drs. 18/8909, 6 und 29, dort zu Buchst. c, Nr. 7, zu Nr. 7 Buchst. a).

    Die Bundestagsdrucksache suche ich ergänzend noch einmal heraus.

    „Truth is the first casualty in war” - Ethel Annakin

    • Offizieller Beitrag

    Das ist bereits höchstrichterlich entschieden:

    Bundessozialgericht - Entscheidungen (ab 2018) -


    Zitat

    Eine Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II war trotz der Erwerbstätigkeit des Klägers nicht anzunehmen. Auch sogenannte Freigänger, die einer Beschäftigung nachgehen, sind seit der Gesetzesänderung zum 1.8.2016 vom Leistungsausschluss betroffen (Karl, jurisPR-SozR 12/2020 Anm 2).

    Es ist nicht nötig (und noch dazu regelwidrig!), mir eine PN zu schreiben, weil eine Verwarnung erfolgte, ein Beitrag oder Thread gelöscht oder ein Thread geschlossen wurde. Wenn dies geschah, hatte es einen entsprechenden Grund. Ich verweise insoweit auf die Regeln des Forums: Forenregeln.

  • Zitat von BT-Drs. 18/8909, Seite 29

    Zu Nummer 7 Buchstabe a
    Mit der Ergänzung in § 7 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 wird klargestellt, dass Personen, die sich in einer Einrichtung
    zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten, auch dann nicht leistungsberechtigt nach
    dem SGB II sind, wenn sie als Freigänger einer Beschäftigung nachgehen.

    https://dserver.bundestag.de/btd/18/089/1808909.pdf

    Was Berlin schreibt, ist nicht richtig. Der Wille des Gesetzgebers ist nach alledem eindeutig.

    Ich bedauere, dir nichts Besseres mitteilen zu können, aber ich denke, so besteht jedenfalls Klarheit über die Rechtslage.

    „Truth is the first casualty in war” - Ethel Annakin

  • Es kann aber sein, dass ein Anspruch auf Leistungen nach § 27b SGB XII (Sozialhilfe) besteht. Es wäre also hilfreich, sich diesbezüglich an den örtlichen Sozialhilfeträger zu wenden.