Arbeitnehmer kurz vor Rente bei Kündigung weniger schutzwürdig – Bundesarbeitsgericht

Arbeitgeber müssen bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl vornehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass Arbeitnehmer, die kurz vor der Rente stehen, weniger schutzwürdig sind als andere.

Arbeitnehmer, die kurz vor ihrer Rente stehen, sind bei einer betriebsbedingte Kündigung wenig schutzwürdig.
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Arbeitnehmer, die nicht mehr lange bis zum regulären Renteneintrittsalter arbeiten müssen, also „kurz vor der Rente stehen“, sind bei einer Kündigung weniger schutzwürdig als andere Arbeitnehmer. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Betriebszugehörigkeit und Lebensalter seien zwar bei einer Kündigung als Kriterien der Sozialauswahl zu berücksichtigen, aber wenn die Rente kurz bevor stehen, so nehme die Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers bei einer betriebsbedingten Kündigung wieder ab.

Wir erklären das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung älterer Arbeitnehmer im nachfolgenden Beitrag leicht und verständlich.

Weniger Kündigungsschutz für Arbeitnehmer, wenn Rente kurz bevorsteht

Ältere Arbeitnehmer kurz vor ihrem Renteneintritt haben bei einer betriebsbedingten Kündigung schlechtere Karten als andere.

Das Bundesarbeitsgericht hat jüngst entschieden, das Arbeitnehmer, die nur noch bis zu zwei Jahre auf ihre Rente ohne Abschläge warten müssen, bei einer betriebsbedingten Kündigung nicht mehr sehr schutzwürig sind – im Rahmen der erforderlichen Sozialauswahl des Arbeitgebers.

Das Bundesarbeitsgericht hat unter dem Aktenzeichen 6 AZR 31/22 entschieden, dass im Rahmen der sozialen Auswahl bei der betriebsbedingten Kündigung bei der Gewichtung des Kriteriums „Lebensalter“ zu Lasten des Arbeitnehmers die Möglichkeit berücksichtigt werden darf, dass er spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses entsprechend der rentenversicherungsrechtlichen Regelung die Regelaltersrente oder eine andere Rente wegen Alters abschlagsfrei beziehen kann. Ausnahme: es handelt sich um die Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Hintergrund: Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung

Kündigt der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen, etwa weil die Produktion nicht mehr so gut läuft, so muss er eine soziale Auswahl unter den Beschäftigten durchführen und die am wenigsten schutzwürdigen Personen entlassen. Bei den Kriterien der Sozialauswahl müssen insbesondere die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter oder Unterhaltspflichten berücksichtigt werden.

Das bedeutet mit den Worten des Bundesarbeitsgerichts folgendes: Ist durch betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung für einen oder mehrere Arbeitnehmer entfallen und übersteigt die Zahl der vom Rückgang des Beschäftigungsbedarfs betroffenen Arbeitnehmer die der verbliebenen Arbeitsplätze, wird durch die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ermittelt, welchem der Arbeitnehmer tatsächlich gekündigt werden muss. Das ist die sogenannte Individualisierungsfunktion, die das Kündigungsschutzgesetz vorschreibt. Die verbleibenden Arbeitsplätze sollen unter den Arbeitnehmern möglichst gerecht verteilt werden. Die Kündigung soll also grundsätzlich den Arbeitnehmer „treffen“, der auf das Arbeitsverhältnis am wenigsten angewiesen ist.

Zeitlich nahe Rente macht Arbeitnehmer weniger schutzwürdig bei Kündigung

Das Bundesarbeitsgericht urteilte nun, dass die Schutz-Bedürftigkeit des Arbeitnehmers zwar mit dem Alter zunehme, diese aber wieder abnehme, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von zwei Jahren über Ersatzeinkommen, etwa eine Rente verfügen kann.

 Das Bundesarbeitsgericht erklärte, dass die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers im Hinblick auf das Risiko, ein dauerhaftes „Ersatzeinkommen“ für das entfallende Arbeitseinkommen erzielen zu können,  mit zunehmendem Lebensalter zunächst ansteige, weil sich die Vermittlungschancen mit zunehmendem Alter typischerweise verschlechterten. Zwar seien Beschäftigte in der Altersgruppe zwischen 55 und 65 Jahren weniger von Arbeitslosigkeit bedroht als in der Vergangenheit, weil Arbeitgeber häufig versuchen, Fachkräfte – insbesondere mit langjähriger Erfahrung – an den Betrieb zu binden. Wenn die Arbeitslosigkeit aber erst einmal eingetreten sei, hätten ältere Arbeitnehmer nach wie vor deutlich geringere Chancen, sie durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wieder zu beenden.

Es dürfe beim Kriterium Lebensalter aber berücksichtigt werden, dass sein Zweck, dem Arbeitnehmer mit dem Arbeitsplatz seine entscheidende Einkommensquelle zu sichern, mit dessen näher rückender versorgungsrechtlicher Absicherung an Aussagekraft verliere.

Weitere Informatioinen zur Kündigung

Informationen zur Kündigung und Bürgergeld Bezug hier: Kündigung und Bürgergeld

Fazit zur betriebsbedingten Kündigung älterer Arbeitnehmer

Muss aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden, so haben Arbeitnehmer, die innerhalb der nächsten zwei Jahre das Renteneintrittsalter erreichen, schlechtere Karten hinsichtlich des Kündigungsschutzes als andere ältere Arbeitnehmer.

Quelle:

Bundesarbeitsgericht