Bürgergeld: 100 Prozent Sanktionen für Jobverweigerer – verfassungsgemäß?

Die Bundesregierung plant die Sanktionen beim Bürgergeld zu verschärfen. Es soll eine Totalsanktion in Höhe von 100 Prozent bei Jobverweigerung möglich sein. Wir erklären, was genau es damit auf sich hat und ob eine komplette Streichung des Regelsatzes (Bürgergeld Totalsanktion 100 Prozent) verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft.

Ein neues Gesetz sieht beim Bürgergeld 100 Prozent Sanktionen für Jobverweigerer vor - über 2 Monate.
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Die Bundesregierung plant, die Sanktionen für Jobverweigerer beim Bürgergeld zu verschärfen. Wer sich wiederholt weigert, einen zumutbaren Job anzunehmen, soll das Bürgergeld für zwei Monate verlieren. Es handelt sich dabei um eine Totalsanktion, eine Bürgergeld Sanktion in Höhe von 100 Prozent (bezogen auf den Regelbedarf). Diese komplette Leistungsstreichung soll einerseits dazu beitragen, Geld zu sparen, andererseits soll es verhindern, dass Bürgergeldbezieher ihre Hilfsbedürftigkeit bewusst aufrechterhalten.

Wir erklären in unserem Beitrag, was die Bundesregierung plant.

Wie sieht die Sanktion / Leistungsminderung für Jobverweigerer aus?

Totalsanktion beim Bürgergeld für Jobverweigerer - Regelsatz für 2 Monate gestrichen

Die Bundesregierung plant ein Gesetz, nach dem Jobverweigerer mit 100 Prozent Sanktionen beim Bürgergeld, also einer Totalsanktion, belegt werden können. Betroffen ist der Regelsatz.

Bezieher von staatlichem Bürgergeld, die sich weigern, einen Job anzunehmen, sollen künftig kein Bürgergeld mehr bekommen. Konkret heißt das: wenn ein Jobangebot vom Amt vorliegt, das der Bürgergeld Bezieher annehmen könnte, es aber willentlich ablehnt,  kann ihm der Regelsatz komplett gestrichen werden. Der Bürgergeld Regelsatz beträgt gegenwärtig für einen alleinstehenden Erwachsenen 563 Euro im Monat. Die Sanktion sieht vor, dass das Bürgergeld in diesem Fall bis zu zwei Monate ausgesetzt werden kann, also hinsichtlich des Regelsatzes komplett gestrichen werden kann. Nicht gestrichen werden Kosten für die Wohnung und Heizung.

Nimmt die sanktionierte Person das Jobangebot an, kann die Leistungsminderung sofort aufgehoben werden.

Wie lange kann das Bürgergeld gestrichen werden?

Das Bürgergeld kann auch für mehr als zwei Monate gestrichen werden, und zwar immer dann, wenn dem Bürgergeld Bezieher eine neue Arbeitsstelle angeboten wird und er diese ablehnt. Möglich ist eine wiederholte Streichung des Bürgergeldes nach Ablauf der 2 Monate aber erst wieder im nächsten Monat, also im Folgemonat nach der Weigerung der Arbeitsaufnahme. Die erneute Streichung setzt eine neue Anhörung und Prüfung voraus. Das Jobcenter muss sich vergewissern, ob ein wichtiger Grund für das Verhalten des Betroffenen gegeben ist.

Wie viele Totalsanktionen wird es geben?

Nach Prognosen des Bundesarbeitsministeriums werden nur äußerst wenige Bürgergeld-Bezieher einer kompletten Leistungskürzung ausgesetzt sein. Nimmt man zurückliegende Zahlen zu den Sanktionen, so sieht man, dass lediglich 3 Prozent der Leistungsbezieher in den vergangenen Jahre von einer Leistungsminderung betroffen waren. Jobverweigerungen waren aber nicht der Hauptgrund, sondern z.B. Meldeversäumnisse. So sieht es auch der VDK, der erklärte, dass nur extrem wenige Bezieher von Bürgergeld betroffen sein werden.

Zur Einordnung: Im Jahr 2023 haben laut der zuständigen Bundesagentur für Arbeit rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld erhalten. Davon sind aktuell 3.932.000 Bezieher erwerbsfähig. Rund 1,5 Millionen Bezieher sind nicht erwerbsfähig – dabei handelt es sich meist um Kinder.

Gründe der verschärften Sanktionen

Geld sparen

Die Bundesregierung will mit der Verschärfung der Sanktionen 170 Millionen Euro einsparen. Dies ist ein relativ geringer Betrag im Vergleich zu den Gesamtkosten des Bürgergelds, die im Jahr 2023 rund 25 Milliarden Euro betragen. Allerdings ist es für die Bundesregierung wichtig, auch bei kleinen Beträgen zu sparen, um den Haushalt auszugleichen.

Hilfsbedürftigkeit nicht ausnutzen

Die Bundesregierung geht davon aus, dass einige wenige Bürgergeldbezieher ihre Hilfsbedürftigkeit bewusst aufrechterhalten, indem sie zumutbare Arbeitsangebote ablehnen. Dies soll durch die Verschärfung der Sanktionen verhindert werden.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Totalsanktionen beim Bürgergeld

An der geplanten Verschärfung gibt es Kritik und Zweifel, insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 20219  entschieden, dass das Existenzminimum in Deutschland zu jeder Zeit gesichert sein muss. Zwar hat das Gericht auch einen vollständigen Wegfall der Leistungen in bestimmten Fallkonstellationen als möglich erachtet, diesen jedoch an äußerst enge Voraussetzungen geknüpft.

Zu den Einzelheiten der verfassungsrechtlichen Bedenken, hier: Totalsanktionen verfassungswidrig?

Fazit zu den Totalsanktionen beim Bürgergeld

Ob die Pläne der Bundesregierung im Bundestag verabschiedet werden, ist noch offen. Die Abgeordneten können noch Änderungen daran vornehmen.

Weitere Infos zu den Bürgergeld Sanktionen

Weitere Informationen zu den Bürgergeldsanktionen finden Sie hier: Bürgergeld Sanktionen und Leistungsminderungen