Gut 10 Prozent aller Haushalte, die Bürgergeld beziehen, müssen einen Teil der Miete selber zahlen – weil ihre Wohnung als “unangemessen” gilt. Viele würden gerne in Sozialwohnungen oder sonst preiswerte Wohnungen wechseln, doch die gibt es einfach nicht.
Warum viele Bürgergeld Bedarfsgemeinschaften einen Teil der Miete aus dem Regelsatz zahlen müssen, untersuchen wird in unserem Beitrag.
Bei Anmietung einer Wohnung muss das Jobcenter zustimmen
Es fehlen “angemessene” Wohnungen bzw. Sozialwohnungen. Viele Bürgergeld Bezieher müssen aus dem Regelsatz zuzahlen.
Wenn man als Bezieher von Bürgergeld für sich allein oder auch für seine Familie eine Wohnung anmieten, also den Mietvertrag unterzeichnen will, muss man zuvor das Einverständnis des Jobcenters einholen. Dieses prüft, ob die Wohnung hinsichtlich Größe und insbesondere Preis angemessen ist.
Angemessenheit richtet sich nach den Vergleichswohnungen im unteren Preissegment und wird von Gemeinde zu Gemeinde, von Jobcenter zu Jobcenter unterschiedlich bewertet.
Nicht nur Kaltmiete muss angemessen sein, auch die Nebenkosten
Bei der Frage, ob eine Wohnung als angemessen gilt, kommt es nicht nur auf die Höhe der Kaltmiete an, sondern auch auf die Höhe der Nebenkosten – und auf die Heizkosten. Entscheidend ist die Bruttowarmmiete – so hat es das Bundessozialgericht kürzlich erneut entschieden, siehe hier: Brutowarmmiete muss angemessen sein
Kommunale Unterschiede groß
Betrachtet man die Situation im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, so lassen sich dort über 716.000 Bürgergeld – Bedarfsgemeinschaften zählen.
Ca. 13 Prozent von ihnen müssen einen Anteil der Wohnungskosten selbst tragen, weil die Bruttowarmmiete nicht angemessen ist. Das sind ungefähr 94.000 Haushalte.
Und die Unterschiede sind von Stadt zu Stadt groß. Es geht hier um die Unterschiede zu den Wohnkosten, die das Amt übernimmt, weil sie als angemessen angesehen werden, und den tatsächlich anfallenden Wohnkosten. Beispiel Landeshauptstadt Düsseldorf. Dort zahlen die betroffenen Bürgergeld Bezieher durchschnittlich 130 Euro aus dem Regelsatz zu. In Wuppertal hingegen sind es nur 36 Euro im Durchschnitt, die Bürgergeld-Bezieher selbst (also aus dem an sich für andere Zwecke gedachten Regelsatz) zusätzlich zahlen müssen.
Kommunen legen Angemessenheitsgrenze selbst fest
Wie hoch die Kosten für die Wohnung sein dürfen, damit sie noch als angemessen gelten, legt die jeweilige Gemeinde fest. Die Anknüpfung erfolgt über den örtlichen Mietspiegel. Grund: die Mietpreise variieren von Gemeinde zu Gemeinde stark.
Mieterbund kritisiert unklare Kriterien für Angemessenheit
„Angemessenheit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Der Vorsitzende des Mieterbundes von NRW, H-J. Witzke, kritisierte gegenüber dem WDR, dass die von den Gemeinden festgelegten Angemessenheitsgrenzen oft zu niedrig seien. Er sagt: “Es gibt die Wohnungen nicht zu den Preisen, die in diesem Pauschalbetrag Kosten der Unterkunft vorgesehen sind.” Die Kriterien müssten zudem nachvollziehbarer sein.
Forderung: Mehr Sozialwohnungen schaffen
Die Kosten von Sozialwohnungen werden von den Jobcentern komplett übernommen. Die dortigen Mietpreise sind automatisch angemessen. Das Problem ist, dass die Zahl der preisgebundenen Mietwohnungen in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist. Sie fallen nach einiger Zeit aus der Preisbindung und es werden zu wenig neue gebaut.
Quellen und weiterführende Infos
Unser Redaktionsmitglied Dirk van der Temme (Jahrgang 1973) hat in Düsseldorf Diplom-Sozialarbeit studiert und erfolgreich abgeschlossen. Schon als Schüler hat er sich sozial engagiert und die Liebe zu den Menschen beibehalten. Er hat die Entwicklung der Sozialhilfe, die Hartz Gesetze und die Einführung des Bürgergeldes mit großem Interesse verfolgt. Seine Beiträge in unserem Magazin zeigen, dass er weiß, worüber er schreibt.