Liefert der Energieversorger des Bürgergeld Beziehers Strom und Gas, so kann er ein Stromguthaben mit einer Heizkostennachzahlung verrechnen. Das Jobcenter muss dennoch die komplette Heizkostennachzahlung übernehmen.
Update: Hierzu liegt nunmehr die Entscheidung des Bundessozialgerichts vor.
Sozialgericht: Jobcenter darf Strom nicht gegen Gas aufrechnen
Das Sozialgericht Schleswig hat unter dem Az S 35 AS 635/18 entschieden, dass das Jobcenter die komplette Heizkostennachzahlung als Teil der Kosten der Unterkunft übernehmen muss, selbst dann, wenn der Energieversorger die Nachzahlung mit einem Stromguthaben seine Kunden (des Beziehers von Bürgergeld) verrechnet. Es reicht nicht, dass das Jobcenter den um das Stromguthaben geminderten Betrag zahlt.
Hintergrund der Klage
Die Klage war von einer fünfköpfigen Familie, Eltern mit drei Kindern, erhoben worden, die SGB II Leistungen bezog (heute Bürgergeld). Den Strom für die Wohnung als auch das Gas zum Heizen wurde von demselben Energieversorger geliefert, den örtlichen Stadtwerken. In der Jahresrechnung der Stadtwerke für das vergangene Jahr wurde der Bürgergeld-Familie mitgeteilt, dass aus den für Strom gezahlten Abschlägen ein Guthaben resultiere, für Gas aber noch eine Nachzahlung geleistet werden müsse. Der Energieversorger Stadtwerke rechneten diese beiden Beträge gegeneinander auf und forderten insgesamt einen geringen zweistelligen Betrag von der Familie, da die Heizkostennachzahlung in der Summe höher war als das Stromguthaben.
Das Jobcenter zahlte diesen geförderten Betrag, weigerte sich jedoch die Heizkostennachzahlung insgesamt zu übernehmen.
Heizkosten gehören zu den Kosten der Unterkunft – Stromkosten zum Regelsatz
Zum Hintergrund: Die Heizkosten werden als Teil der Kosten der Unterkunft vom Jobcenter gezahlt. Strom müssen Bürgergeld Bezieher aus dem Regelsatz zahlen. Hierfür gibt es kein Extra-Geld vom Jobcenter.
Was folgt daraus?
Guthaben aus Stromrechnung steht Bürgergeld Bezieher zu – Nachzahlung muss er auch tragen
War die Vorauszahlung für Strom zu hoch und weist die Jahresrechnung Strom ein Guthaben aus, so steht dieses dem Bürgergeld Bezieher zu. Er hat die Stromkosten monatlich aus dem Regelsatz beglichen. Eine Auszahlung des Guthabens durch den Stromversorger ist kein Einkommen für den Bürgergeld Bezieher.
Guthaben aus Gasrechnung steht Jobcenter zu – Nachzahlung muss es auch tragen
War die Vorauszahlung für Gas zu hoch und weist die Jahresrechnung Gas ein Guthaben aus, so steht dieses dem Jobcenter zu. Es hat die Gaskostenals Heizkosten monatlich gezahlt, entweder direkt an den Gasversorger oder an den Bürgergeld Bezieher (und dieser hat die Vorauszahlung weitergeleitet).
Werden Strom und Gas von zwei unterschiedlichen Unternehmen geliefert, so wird dem Bürgergeld Bezieher ein Stromguthaben direkt zurückgezahlt. Eine Nachforderung für Gas wird hingegen vollständig über das Bürgergeld und das Jobcenter erstattet.
Ob Strom und Gas vom gleichen Versorger kommen, spielt keine Rolle für Zahlungsverpflichtung
Bürgergeld Bezieher darf nicht benachteiligt werden, wenn Strom und Gas vom selben Versorger kommen
In dem Fall, dass Strom und Gas von demselben Versorger geliefert werden, können Guthaben und Nachforderungen gegeneinander aufgerechnet werden und nur der verbleibende Anteil geltend gemacht oder ausbezahlt werden.
Das Jobcenter vertrag die Auffassung, es müssen nur die tatsächlich vom Versorger verlangte Nachforderung übernehmen, denn nur insoweit bestünde ein Bedarf.
Das Sozialgericht urteilte hingegen, dass der Bedarf an Heizkosten in der vollen Höhe der Heizkostennachforderung entstehe, auch wenn der Bürgergeld Bezieher einen Teil aus eigenen Mitteln – durch das Stromguthaben – bereits beglichen habe.
Es dürfe keine Ungleichbehandlung von SGB II Beziehern (Bürgergeld Beziehern) dadurch geben, dass Strom und Gas von demselben Versorger geliefert würden. Das wäre eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Den Klägern dürfe außerdem durch den Bezug von Strom und Gas aus einer Hand kein Nachteil entstehen.
Jobcenter legt Revision zum BGH ein
Das Sozialgericht hatte in seinem Urteil die Sprungrevision zum Bundessozialgericht zugelassen. Es vertrat die Auffassung, das die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung habe.
Der Rechtsträger des Jobcenters hat die Sprungrevision eingelegt. Damit wird eine Entscheidung des obersten deutschen Sozialgerichts ergehen, wahrscheinlich jedoch nicht mehr in diesem Jahr.
+++ Update vom 14.04.2024 +++
Nunmehr liegt die Revisionsentscheidung des Bundessozialgerichts vor. Das Bundessozialgericht hat aufgrund einer Verhandlung vom 10.4.2024 unter dem Az. 7 AS 21/22 R die Ansicht des Sozialgerichts Schleswig geteilt und das Verbot der Aufrechnung bestätigt.
Die Entscheidung in den Grundzügen:
Heizkosten Nachzahlungen gehören zu den Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II. Sie dürfen nicht mit Erstattungen für Haushaltsstrom verrechnet werden. Grund: diese werden aus dem Bürgergeld Regelsatz gezahlt.
- Dieser Grundsatz gilt auch, wenn sowohl Strom als auch Gas vom selben Versorger geliefert werden und dieser intern die Kosten verrechnet. Beim Bürgergeld muss beides getrennt behandelt werden. Die Nachzahlung der Heizkosten muss das Jobcenter ungekürzter im Monat der Fälligkeit zahlen.
- Ein Guthaben aus Stromkosten darf nicht als Einnahme berücksichtigt werden. Jedenfalls dann nicht, wenn zusätzlich zum Haushaltsstrom keine weiteren Zahlungen für Strom vom Jobcenter gezahlt werden, etwa für die Warmwasseraufbereitung.
Das Bundessozialgericht hat den Fall dennoch zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht zurückverwiesen, da nicht feststellbar war, ob und in welcher Höhe Abschläge für Strom im streitgegenständlichen Zeitraum geleistet oder nicht geleistet wurden.