Forderungen können verjähren. Das gilt auch für Forderungen des Jobcenters auf Erstattung von zu Unrecht gezahltem Bürgergeld gegen (ehemalige) Leistungsbezieher. Das Bundessozialgericht hat nunmehr klargestellt, dass Ansprüche auf Erstattung von zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen, also Bürgergeld, nach grundsätzlich nach 4 Jahren verjähren, eventuell aber auch erst nach 30 Jahren. Wann gilt die 4-Jahres-Frist, wann die 30-Jahres-Frist? Wir erklären das in nachfolgendem Artikel.
Wann entsteht ein Erstattungsanspruch des Jobcenters?
Ein Erstattungsanspruch des Jobcenters besteht, wenn Bürgergeld zu Unrecht gezahlt worden ist. Beispiel hierfür: Ein Bezieher von Bürgergeld hat mehr Einkommen erzielt, als ursprünglich angegeben. Das Jobcenter kann den Differenzbetrag, also das zu viel gezahlte Bürgergeld zurückfordern.
Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Das ist in § 50 Abs. 3 SGB X geregelt. Mit der Wirksamkeit dieses die Erstattung feststellenden Verwaltungsaktes ist der Erstattungsanspruch entstanden.
Wann beginnt die Verjährungsfrist für den Erstattungsanspruch?
Die Verjährungsfrist für den Erstattungsanspruch beginnt mit der Wirksamkeit des die Erstattung festsetzenden Verwaltungsaktes, also mit seiner Unanfechtbarkeit. Verwaltungsakt ist der Erstattungsbescheid.
4-jährige Verjährungsfrist: wann verjährt der Erstattungsanspruch des Jobcenters?
Die Verjährung des Erstattungsanspruchs ist in § 50 Abs. 4 SGB X geregelt. Danach verjährt der Anspruch auf Erstattung des zu Unrecht geleisteten Bürgergeldes in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist.
Beispiel: Wird der Erstattungsbescheid am 2. Juni 2023 unanfechtbar, so verjährt die Erstattungsforderung mit Ablauf des 31. Dezember 2027.
30-jährige Verjährungsfrist verdrängt 4-jährige Verjährungsfrist
Die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 52 SGB X ersetzt die vierjährige Verjährungsfrist des § 50 Abs. 4 SGB X dann, wenn nach Erlass des Erstattungsbescheides ein weiterer Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs vom Jobcenter erlassen wurde, und zwar bevor die 4-jährige Verjährungsfrist abgelaufen ist.
Damit die 30-jährige Verjährungsfrist greift, muss das Jobcenter somit einen gesonderten Bescheid, einen gesonderten Verwaltungsakt erlassen, beispielsweise einen Aufrechnungsbescheid oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung.
§ 31 S. 1 SGB X definiert den Begriff Verwaltungsakt: „Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.“
Ein einfaches Mahnschreiben oder auch die Festsetzung einer Mahngebühr ist kein solcher Verwaltungsakt, sondern lediglich eine Mahnung. Dadurch wird die 30-jährige Verjährungsfrist nicht in Gang gesetzt.
Gleiches gilt für ein einfaches Schreiben, in dem das Jobcenter mitteilt, dass nach seiner Rechtsauffassung die Forderung noch nicht verjährt ist.
Beiden obigen Negativbeispielen fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal „Regelung“.
Sonderfälle zur Verjährung
Leistungen aufgrund vorläufiger Entscheidung des Jobcenters
Nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob für Rückforderungsansprüche von zu Unrecht erbrachten Leistungen aufgrund vorläufiger Entscheidung des Jobcenters nach § 41a Abs. 6 SGB II (Bürgergeld-Gesetz) die vierjährige Verjährungsfrist oder die dreißigjährige Verjährungsfrist gilt.
Verjährungsfrist, wenn Raten gezahlt werden
Wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Schuldner, also der Bürgergeld Bezieher, der Leistungen zu Unrecht erhalten hat, Raten auf den Rückforderungsanspruch des Jobcenters leistet? Diese Frage ist ebenfalls höchstrichterlich nicht geklärt. Gemäß § 212 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) beginnt die Verjährung neu, wenn der Schuldner Ratenzahlungen leistet.
Einige Gerichte vertreten die Auffassung, dass § 212 BGB im Sozialrecht nicht anwendbar ist, weil das Sozialgesetzbuch (SGB) die Verjährung abschließend regele und es sich bei § 212 BGB um eine zivilrechtliche Rechtsnorm handele.
Andre Gerichte haben hingegen die Auffassung vertreten, dass § 212 BGB sehr wohl im Sozialrecht anwendbar sei.
Werden Raten aber nur unter Vorbehalt oder Protest gezahlt, so greift § 212 BGB nicht.
Wichtiger Tipp zur Verjährung zum Schluss
Vertritt man die Auffassung, eine Forderung des Jobcenters sei verjährt, so muss man sich auf die Einrede der Verjährung berufen. Das heißt: man muss die Verjährung für sich reklamieren. Etwa so: „Ich berufe mich auf die Einrede der Verjährung.“ Andernfalls wird die Verjährung nicht berücksichtigt.