Bürgergeld und Kontoauszüge: Was darf das Jobcenter verlangen?
Viele Bürgergeld-Empfänger fragen sich, ob sie dem Jobcenter ihre Kontoauszüge vorlegen müssen. Die Antwort ist nicht einfach.
Rechtliche Grundlage
Das Jobcenter darf Kontoauszüge anfordern, um die Hilfebedürftigkeit zu prüfen12. Dies basiert auf §67a SGB X und §§7, 9 SGB II.
Zeitraum und Umfang
Normalerweise werden Auszüge der letzten drei Monate verlangt13. In bestimmten Fällen kann dieser Zeitraum länger sein.
Datenschutz
Bestimmte sensible Informationen dürfen geschwärzt werden. Dies betrifft z.B. politische oder religiöse Angaben.
Wichtig: Eine Verweigerung kann zur Ablehnung des Antrags führen
Darf das Jobcenter die Vorlage von Kontoauszügen verlangen?
Besteht eine Pflicht, dem Jobcenter die Kontoauszüge der letzten 3 Monate im Rahmen eines Bürgergeld Antrags vorzulegen?
Ja, lautet die Antwort. Der Grund: Einen Anspruch auf Bürgergeld hat, wer hilfebedürftig ist. Die Hilfebedürftigkeit muss dem Jobcenter nachgewiesen werden, das Jobcenter muss sie als Anspruchsvoraussetzung prüfen. Aus diesem Grund muss man dem Jobcenter die Kontoauszüge vorlegen, denn so lassen sich eingehende Zahlungen nachverfolgen.
Die Rechtsgrundlage hinsichtlich der Pflicht, die Kontoauszüge dem Jobcenter vorzulegen, findet sich in § 60 Abs. 1 SGB I. Diese Vorschrift besagt, dass alle relevanten Daten in Bezug auf die Beantragung von Sozialleistungen angegeben werden müssen. Weiter ist § 67a Abs. 1 S. 1 SGB X als Rechtsgrundlage relevant. Dort wird in Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Zulässigkeit der Erhebung von Daten im Zusammenhang mit der Leistungsbeantragung geregelt.
Mittels Vorlage der Vorlage der Kontoauszüge erhebt das Jobcenter die für den Bürgergeld-Anspruch relevanten Daten. Diese Datenerhebung dient der Prüfung der Hilfebedürftigkeit und ist hierfür erforderlich. Mittels der Einsichtnahme in die Kontoauszüge erfüllt das Jobcenter folglich seine Aufgabe, Einkommen und Vermögen des Antragstellers zu überprüfen.
Unvollständige Kontoauszüge oder sonstige Banknachweise, die unvollständig sind, reichen nicht aus, um die Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen bzw. dem Jobcenter die Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu ermöglichen.
Kontoauszüge zum PayPal Konto
Vorgelegt werden müssen auch Kontoauszüge zu PayPal Konten, wenn hierüber Zahlungen abgewickelt werden. Das Jobcenter darf die Vorlage dieser Kontoauszüge verlangen. Ein PayPal Konto spielt insbesondere für Verkäufe eine Rolle, die über Ebay oder über Kleinanzeigen getätigt werden. In der Anlage VM zum Bürgergeld Antrag finden sich hierzu Erklärungen.
Muss das Jobcenter Gründe für die Vorlage von Kontoauszügen nennen?
Das Jobcenter muss keine spezifischen Gründe für die Vorlage der Kontoauszüge nennen. Wie oben geschildert, ist der Bürgergeld Antrag an sich der Grund für die Vorlage der Kontoauszüge. Es geht dabei also nicht um einen Verdacht auf Leistungsmissbrauch oder auf strafbare Handlungen
Höchstrichterlich ist dies ebenfalls bereits entschieden, und zwar vom Bundessozialgericht unter den Az.: B 14 AS 45/07 R und B 4 AS 10/08 R. Dort wird klargestellt, dass das Jobcenter bei Vorliegen eines Bürgergeld Antrags (SGB II Antrags) keine Begründung für die Aufforderung zur Vorlage von Kontoauszügen angeben muss. Denn: Grund für die Vorlage ist Prüfung der Hilfebedürftigkeit im Sinne der §§ 7 SGB II und 9 SGB II (Bürgergeld Gesetz), also beim Bürgergeld Antrag und dem Bürgergeld Weiterbewilligungsantrag (Folgeantrag).
Was passiert, wenn ich die Kontoauszüge dem Jobcenter nicht vorlege?
Es stellt sich die Frage, was passiert, wenn man sich weigert, dem Jobcenter die Kontoauszüge vorzulegen. Die Antwort ist eindeutig: man verletzt seine Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 ff SGB I. Das Jobcenter kann den Bürgergeld Antrag aufgrund fehlende Mitwirkung ablehnen, wenn man sich weigert, die Kontoauszüge vorzulegen. Die Anspruchsvoraussetzungen sind ohne Vorlage der Kontoauszüge nicht verifizierbar. Es ergeht ein Ablehnungsbescheid.
Welchen Zeitraum müssen die vorzulegenden Kontoauszüge abdecken?
Grundsatz: Kontoauszüge der letzten 3 Monate
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil unter dem Az.: B 14 AS 45/07 R entschieden, dass der Antragsteller verpflichtet ist, die Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen, wenn das Jobcenter dies verlangt.
Ausnahme: Kontoauszüge der letzten 6 Monate
Das Jobcenter hat allerdings das Recht, sich die Kontoauszüge der letzten 6 Monate vorlegen zu lassen, wenn dies erforderlich ist, um den Anspruch prüfen zu können. Es müssen also besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die Kontoauszüge der letzten drei Monate nicht ausreichen, die Voraussetzungen für den Bürgergeldanspruch zu überprüfen. Einzelheiten hierzu kann man in den Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 37 SGB II nachlesen.
Bei Erwerbseinkommen müssen Kontoauszüge der letzten 6 Monate vorgelegt werden
Wer Bürgergeld zusätzlich zu einer Erwerbstätigkeit bezogen wird, evt. sogar mit monatlich wechselnden Einkünften, muss die Kontoauszüge der letzten 6 Monate auf Verlangen des Jobcenters vorlegen. Andernfalls kann das Einkommen nicht überprüft werden. So hat auch das Bundessozialgericht unter dem Az. B 14 AS 45/10B entschieden.
Die 6-Monats-Regel gilt insbesondere für Selbständige. Diese erzielen üblicherweise unregelmäßige Einkünfte und haben unregelmäßige Ausgaben. Beides müssen sie dem Jobcenter nachweisen, damit der Bürgergeld Anspruch berechnet werden kann.
Das Bürgergeld wird bei Einkommen grundsätzlich nur vorläufig für 6 Monate bewilligt. Nach Ablauf der 6 Monate erfolgt nach Prüfung des Einkommens eine endgültige Berechnung und Bewilligung des Bürgergeldes.
Längerer Zeitraum der Kontoauszüge bei Verdachtsfällen
Das Jobcenter kann auch die Vorlage der Kontoauszüge für einen längeren Zeitraum als 6 Monate verlangen, und zwar dann, wenn ein konkreter Verdacht auf Leistungsmissbrauch oder auf sozialwidriges Verhalten besteht – oder wenn sonstige begründete Zweifel an dem Vorliegen der Bürgergeld Voraussetzung „Hilfebedürftigkeit“ vorliegen. Hierzu liegen auch Gerichtsentscheidungen vor, so etwa vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Az. L 2 AS 267/13 (openjur.de) oder vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Az. L 5 AS 452/10 B ER (sozialgerichtsbarkeit.de). Das LSG Sachsen-Anhalt verlangte sogar die Vorlage der Kontoauszüge über einen Zeitraum von drei Jahren. Es ging um den Verdacht auf eine Erbschaft.
Jobcenter dürfen die Kontoauszüge nicht abspeichern
Die Vorlage der Kontoauszüge ist eine Datenerhebung. Diese ist, wie gerade dargelegt, zulässig. Sie muss von der Datenspeicherung unterschieden werden. Diese ist grundsätzlich nicht zulässig.
Das Jobcenter darf also Keine Kopien der Kontoauszüge anfertigen und diese dann speichern. Nach Sichtung der Kontoauszüge müssen evt. angefertigte Kopien vernichtet werden.
Wenn das Jobcenter Kontoauszüge anfordert, so muss es den Antragsteller darauf hinweisen, dass möglicherweise Kopien erstellt werden und diese nach Sichtung und Entscheidung vernichtet werden.
Bereits in der Aufforderung zur Vorlage der Kontoauszüge, muss der Leistungsempfänger schriftlich über das mögliche Kopieren zwecks Prüfung und die anschließende Vernichtung aufgeklärt werden.
Datenspeicherung ausnahmsweise erlaubt
Entsprechend § 67 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 SGB X dürfen Kopien von Kontoauszügen gespeichert werden, wenn darauf ein für den Bewilligungszeitraum relevantes Datum oder die Höhe eines anzurechnenden Einkommens vermerkt ist. Es müssen aber alle nicht relevanten Daten zuvor unkenntlich gemacht werden.
Das Jobcenter geht in allen anderen Fällen so vor: Es erstellt einen Aktenvermerk, dass die Kontoauszüge vorlagen und keine Einträge enthielten, die dem Bürgergeld-Anspruch entgegenstehen.
Zusammenfassung: Vorlage der Kontoauszüge beim Jobcenter
- Das Jobcenter darf die Vorlage von Kontoauszügen verlangen, ohne einen besonderen Grund angeben zu müssen.
- Legt man Kontoauszüge dem Jobcenter nicht vor, kann der Antrag auf Bürgergeld abgelehnt werden.
- In der Regel müssen die Kontoauszüge der letzten 3 Monate vorgelegt werden, bei Erwerbseinkommen die der letzten 6 Monate.
Weiterführende Informationen
Quellen
- Eigene Recherche des Redaktionsteams buerger-geld.org
- O.a. Urteile der Landessozialgericht