Das Bürgergeld wurde erst Anfang 2023 als Nachfolger von Hartz IV eingeführt. Es sollte eine Abkehr von Sanktionen und mehr Augenmerk auf Qualifizierung und nachhaltige Vermittlung in Arbeit bedeuten. Doch nun, nur anderthalb Jahre später, plant die Ampel-Koalition bereits Verschärfungen der Regelungen und Kürzungen der Leistungen.
Die geplanten Änderungen werfen grundsätzliche Fragen auf:
Wie soll das Verhältnis von Fördern und Fordern in der Grundsicherung ausgestaltet sein? Wie können Langzeitarbeitslose am besten unterstützt und in Beschäftigung gebracht werden? Und wie lässt sich verhindern, dass strengere Regeln zu mehr Armut und sozialer Ausgrenzung führen?
Die Debatte um die Zukunft des Bürgergelds ist damit neu entfacht. Sie berührt zentrale Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland.
Folgende Änderungen sind geplant oder wurden schon umgesetzt:
Längere zumutbare Pendelzeiten
Diese Regelungen legen fest, dass bei einer täglichen Arbeitszeit bis zu 6 Stunden eine Pendelzeit von bis zu 2,5 Stunden als zumutbar gilt. Für Arbeitnehmer, die mehr als 6 Stunden täglich arbeiten, kann die Pendelzeit bis zu 3 Stunden betragen. Die Jobcenter spielen hierbei eine zentrale Rolle, da sie darauf abzielen, Jobs innerhalb eines Umkreises von 50 Kilometern zu vermitteln. Diese Praktiken sollen sicherstellen, dass trotz längerer Anfahrtszeiten eine Balance zwischen Arbeitsweg und Lebensqualität gefunden wird.
Strengere Sanktionen
Die neuen Regelungen sehen strengere Sanktionen für Empfänger von Sozialleistungen vor, die zumutbare Jobangebote ablehnen. In solchen Fällen drohen nun höhere Kürzungen der Leistungen. Bei festgestellter Schwarzarbeit erfolgt eine Leistungskürzung von 30% für die Dauer von drei Monaten. Wenn eine hartnäckige Verweigerung der Mitwirkung vorliegt, kann das Bürgergeld für bis zu zwei Monate komplett gestrichen werden. Darüber hinaus werden mehr Arbeitsgelegenheiten, auch bekannt als Ein-Euro-Jobs, für sogenannte “Totalverweigerer” geschaffen, um ihre Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern. Diese Maßnahmen sollen die Empfänger von Sozialleistungen stärker zur Mitarbeit und zur Annahme von Jobangeboten motivieren.
Kürzere Karenzzeiten
Die Schonfrist für das Schonvermögen soll von bisher 12 auf nun 6 Monate zu verkürzen. Das bedeutet, dass Sozialleistungen wie das Bürgergeld schneller in Anspruch genommen werden müssen, sobald eigenes Vermögen aufgebraucht ist. Dabei bleibt die Altersvorsorge jedoch weiterhin geschützt und wird nicht angetastet. Diese Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass die verfügbaren Mittel gezielter genutzt werden und die Unterstützung schneller bei den wirklich Bedürftigen ankommt.
Wegfall des Weiterbildungsbonus
Der bisher monatlich gewährte Bürgergeldbonus von 75 Euro für Weiterbildungen wurde gestrichen. Anstelle des regelmäßigen Bonus gibt es nun finanzielle Anreize nur noch für erfolgreich bestandene Prüfungen. Diese Änderungen sollen die Effizienz und den Anreiz für Weiterbildung erhöhen, indem sie eine direkte Belohnung für die erfolgreiche Absolvierung von Qualifikationen schaffen. Sie fördert damit eine zielgerichtete und resultatorientierte Lernkultur.
Die Maßnahmen sollen laut Regierung 270 Millionen Euro jährlich einsparen und sind Teil der “Wachstumsinitiative” der Ampel, um die Wirtschaft anzukurbeln und mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Arbeitsminister Heil sieht die Änderungen als vertretbaren Kompromiss. Aus der SPD und von den Grünen gibt es aber auch Kritik und Skepsis an der Wirksamkeit der Verschärfungen.
2025 Nullrunde
Für 2025 ist zudem eine Nullrunde bei der Regelsatzanpassung absehbar, da nach der Erhöhung um 12% in 2024 keine weitere Steigerung erwartet wird. Die Regierung hofft, die Ausgaben für das Bürgergeld durch eine bessere Arbeitsmarktintegration, etwa von ukrainischen Geflüchteten, von 29,7 Mrd. Euro in 2024 auf 25 Mrd. Euro in 2025 zu senken
Welche Sanktionen drohen bei Ablehnung von Arbeitsangeboten
Zusammenfassend drohen Bürgergeld-Empfängern folgende Sanktionen, wenn sie zumutbare Jobangebote des Jobcenters ohne wichtigen Grund ablehnen:
Leistungskürzungen
- Bei erstmaliger Ablehnung eines Jobangebots kann das Bürgergeld um 10% für einen Monat gekürzt werden.
- Bei wiederholter Ablehnung innerhalb eines Jahres drohen Kürzungen um 30% für drei Monate.
- Bei jeder weiteren Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres kann das Bürgergeld um 60% für drei Monate gemindert werden.
Vollsanktionen
- Wer nachhaltig die Aufnahme einer Arbeit verweigert, dem kann das gesamte Bürgergeld (Regelsatz) für bis zu zwei Monate komplett gestrichen werden.
- Theoretisch sind auch mehrere aufeinanderfolgende zweimonatige Vollsanktionen möglich, wenn weiterhin Jobangebote abgelehnt werden.
Ausnahmen
- Die Kosten für Unterkunft und Heizung bleiben von den Sanktionen unberührt.
- Bei Meldeversäumnissen drohen ebenfalls Leistungskürzungen, diese machen den Großteil der Sanktionen aus.
- Nur ein kleiner Teil der Sanktionen entfällt auf hartnäckige “Totalverweigerer”.
Wichtig: Jobangebote dürfen nur abgelehnt werden, wenn sie nicht zumutbar sind, z.B. aus gesundheitlichen Gründen, bei Kinderbetreuung oder wenn die Rückkehr in den erlernten Beruf erschwert würde.Bei ungerechtfertigten Sanktionen haben Betroffene die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und die Gründe für die Ablehnung in einer Anhörung darzulegen. Beratungsstellen wie der SoVD können dabei unterstützen.
Simon Overberg ist Journalist aus Leidenschaft. Bereits vor seinem ersten Volontariat engagierte er sich im sozialen Bereich. Nach seinem Journalismus-Studium arbeitete er bei verschiedenen Zeitungen. Er absolvierte einen Master in Fachjournalismus. Seit mehreren Jahren schreibt er für buerger-geld.org bzw. die Schwesterplattformen.