Alleinstehende Bürgergeld Bezieher erhalten einen Regelsatz von gegenwärtig 563 Euro, Partner in der Ehe oder Lebenspartner jedoch nur 506 Euro pro Person. Ist das gerechtfertigt? Oder ist eine solche Ungleichbehandlung von Alleinstehenden und Ehepartnern gar verfassungswidrig? Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat nun in einer aktuellen Entscheidung zu dieser Frage Stellung genommen. Die Antwort des Gerichts haben lautet: nein!
Doch lesen Sie nachfolgend auch die Gründe der Entscheidung!
Bürgergeld Regelsatz in unterschiedlicher Höhe
Gerecht: Paare erhalten pro Person einen geringeren Bürgergeld Regelsatz als Alleinstehende?
Der Bürgergeld Regelsatz wird bekanntlich in unterschiedlicher Höher ausgezahlt. Er folgt den sogenannten Regelbedarfsstufen. Alleinstehende werden der Regelbedarfsstufe 1 zugeordnet und erhalten 563 Euro monatlich, Partner einer Ehe oder einer Lebensgemeinschaft erhalten jeweils nur 506 Euro monatlich ausgezahlt. Zu den Einzelheiten hier: Bürgergeld Regelsatz.
Klage gegen geringen Regelsatz für Paare
Zwei Bürgergeld-Bezieher hatten Klage erhoben, weil sie die Ansicht vertraten, dass die Ungleichbehandlung zu Alleinstehenden für Paar verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei.
Dieser Auffassung widersprach das Landessozialgericht jedoch in seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 7 AS 3507/21.
Der vom Jobcenter vorgenommene Ansatz der Regelbedarfsstufe 2 (Paare) und nicht der Regelbedarfsstufe 1 (Alleinstehende) zur Bemessung des Leistungsanspruchs der Kläger sei zutreffend, so das Gericht.. Denn nach § 20 Abs. 4 SGB II sei, wenn zwei Partner einer Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben, als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
Ein Anspruch auf die Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 komme den Klägern hingegen nicht zu, da dieser für Personen anzuerkennen sei, die alleinstehend oder alleinerziehend seien oder deren Partnerin oder Partner minderjährig sei § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Keine Verfassungswidrigkeit der Einordnung zusammenlebender Paare in die Regelbedarfsstufe 2
Das Landessozialgericht erklärte in seiner Entscheidung, dass die gesetzgeberische Einordnung von Paaren zur Regelbedarfsstufe 2 nicht verfassungswidrig sei.
Das Gericht bergründet dies wie folgt: Das Bundesverfassungsgericht habe bereits festgestellt, dass es von der Verfassung her nicht zu beanstanden sei, dass der Gesetzgeber den Regelbedarf bei Einpersonenhaushalten und damit die Regelbedarfsstufe 1 als Ausgangswert für die Festlegung der Höhe der Leistungen für den Regelsatz von Erwachsenen nutzt, die mit anderen leistungsberechtigten Erwachsenen einen gemeinsamen Haushalt führen. Gemeint sind zwei erwachsene leistungsberechtigte Personen als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft.
Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Höhe von 80 % von dem statistisch ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden dürfe. Die Bedarfserhebung nach Haushalten sei geeignet, den tatsächlichen Bedarf für solche Lebenssituationen zu ermitteln. Die Bestimmung des Regelbedarfs zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener in Höhe von 90 % des im SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs sei folglich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 –, BVerfGE 137, 34-103).
Bürgergeld: Gemeinsames Wirtschaften erspart Aufwendungen
Es sei korrekt, dass gemeinsames Wirtschaften Aufwendungen erspare. Zwei zusammenlebende Partner hätten einen im Vergleich geringeren finanziellen Mindestbedarf als zwei alleinwirtschaftende Personen. Der Gesetzgeber habe so kalkulieren dürfen. Hierzu gäbe es bereits eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2021. (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 –, BVerfGE 125, 175-260,). Bezüglich dieser Rechtseinschätzung hätten sich auch keine wesentlichen Änderungen ergeben, auch wenn statistische Erhebungen aus den 80er Jahren stammten.
Bedarf beim Bürgergeld und tatsächliche Ausgaben sind zwei unterschiedliche Dinge
Aus der Tatsache höherer zu tätigender Ausgaben in der gegenwärtigen Zeit lasse sich noch kein höherer Bedarf ableiten. Es sei auch nicht ersichtlich, aufgrund welcher Bedingungen ein solcher höherer Bedarf bestehen solle.
Besonderer Schutz von Ehe und Familie nicht tangiert
Das Landessozialgericht sieht es auch unter Berücksichtigung des aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden besonderen Schutzes von Ehe und Familie für verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber die Konsequenz aus der Erfahrung des täglichen Lebens zieht, dass in einer Haushaltsgemeinschaft umfassend “aus einem Topf” gewirtschaftet werde.
Die Folge sei, dass zwei zusammenlebende Ehegatten einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liege.
Quelle
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 15.12.2022 – L 7 AS 3507/21 – www.sozialgerichtsbarkeit.de
Sabine Martholt hat Recht und Journalismus studiert und fundierte Kenntnisse im Bereich des Sozialrechts und des Rentenrechts. Beide Rechtsgebiete sind gleichzeitig ihr Hobby, wie sie gern verrät. Bereits vor ihrem ersten Volontariat bei einer Zeitung hat sie sich dem Schreiben gewidmet. Die Entwicklung des Sozialrechts in Deutschland hat sie mit großer Aufmerksamkeit, manchmal aber auch mit Kopfschütteln verfolgt – wie sie selbst sagt. Sie schreibt seit vielen Jahren für unser Online-Magazin. Gute Recherche und die eigene Meinung – beides ist ihr wichtig.