Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter und laut Umfragen möchten die Menschen immer früher in den Ruhestand gehen. Dieses bekannte Problem wurde von der Politik bisher kaum angegangen, obwohl es dringend ist: In den nächsten Jahren werden immer mehr Vertreter der Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen und das Verhältnis zwischen Einzahlern und Empfängern droht gefährlich zu kippen.
Angesichts des demografischen Wandels haben die fünf Wirtschaftsweisen bei der Präsentation ihres Jahresgutachtens verschiedene Vorschläge gemacht, um das Rentensystem nachhaltig zu reformieren und zukunftsfähig zu machen. Das übergeordnete Ziel besteht darin, dass mehr Menschen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, damit Deutschlands Wirtschaft im internationalen Vergleich nicht abgehängt wird. Gleichzeitig müssen die Finanzen der Deutschen Rentenversicherung stabil bleiben, sodass auch zukünftige Generationen vom Umlagesystem profitieren können.
1. Lebensarbeitszeit wird länger
Die Ökonomen betonen in ihrem Gutachten, dass es essentiell ist, das gesetzliche Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Das bedeutet im Klartext: Deutsche Arbeitnehmer sollten länger arbeiten, da sie auch länger leben. Der große Vorteil dieser bereits häufig diskutierten Idee wäre eine erhöhte Einzahlung der Arbeitnehmer in die Rentenkasse und somit eine volle Finanzierung der Rentenbezüge durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Gleichzeitig würde sich dadurch die Bezugsdauer der Rente verringern und somit das finanzielle Polster der DRV langsamer schwinden. Eine Win-win-Situation für die Finanzen des gesetzlichen Rentensystems also – jedoch äußerst unpopulär bei vielen Bürgern und daher momentan von der Bundesregierung ausgeschlossen. Umso dringlicher betonen die Experten: “Zusammen mit einer altersvorsorgebasierten Investitionsmethode kann das Sicherheitsniveau langfristig deutlich gesteigert und Altersarmut reduziert werden.” Doch selbst wenn sich die Regierung dazu entschließen sollte, bleibt ein Problem bestehen: Diese Reformoptionen entfalten ihre maximale Wirkung erst auf lange Sicht. Daher sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um schnellere Entlastungen für die DRV zu gewährleisten.
2.Geringverdiener sollen mehr Rentenpunkte erhalten
Eine potenziell wirksame Idee, die bisher kaum Beachtung gefunden hat, besteht darin, dass Gutverdiener zukünftig überproportional niedrige Rentenansprüche erwerben sollten, ähnlich wie Steuerzahler mit höherem Einkommen stärker belastet werden. Im Gegensatz zu bisherigen Regelungen würde jeder Euro, den Arbeitnehmer in die Rentenkasse einzahlen, nicht mehr dieselben Anrechte auf monatliche Rentenzahlungen gewähren. Stattdessen würden Beiträge von Geringverdienern einen höheren Wert haben als die von Gutverdienern. Das Ziel dieser Maßnahme ist es einerseits das Risiko der Altersarmut zu verringern und andererseits Geld innerhalb einer Generation umzuverteilen anstatt immer größere Lasten auf Beitragszahler abzuwälzen. “Die jetzige Generation soll mehr dazu beitragen das Rentensystem zu stabilisieren.
3. Renten an die Inflation koppeln
Die Wirtschaftsweisen erhoffen sich durch die Kopplung der Bestandsrenten an die Inflation anstatt an die Lohnentwicklung kurzfristig eine Steigerung des Geldes im System. Obwohl die Teuerungsrate momentan noch relativ hoch ist, wird erwartet, dass sie langfristig wieder das Zielniveau von 2 Prozent der Europäischen Zentralbank erreicht. Der Clou bei diesem Schritt besteht darin, dass in normalen Zeiten, wenn die Verbraucherpreise langsamer steigen als die Löhne, das Wachstum der Rentenausgaben nicht mehr so stark zunimmt. Dies wäre für Beitragszahler eine gute Nachricht, da sie weniger ihres Bruttogehalts zur Finanzierung des Umlagesystems an den Rentenversicherungsträger überweisen müssten. Allerdings würden Rentner weniger vom gestiegenen Lohnniveau profitieren. Des Weiteren soll laut den Wirtschaftsweisen der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor verstärkt werden. Dieser Faktor ist Teil einer Formel zur Berechnung der jährlichen Rentenerhöhung zum 1. Juli. Er berücksichtigt das Verhältnis zwischen Rentenantragsstellern und Beitragszahlern. Wenn es weniger Einzahler im Vergleich zu Empfängern gibt, fällt auch der Nachhaltigkeitsfaktor kleiner aus – und somit auch die Höhe der Rentenanpassungen geringer aus. Die Wirtschaftsweisen sind davon überzeugt, dass dieser Mechanismus zukünftig stärker gewichtet werden sollte .
Sabine Martholt hat Recht und Journalismus studiert und fundierte Kenntnisse im Bereich des Sozialrechts und des Rentenrechts. Beide Rechtsgebiete sind gleichzeitig ihr Hobby, wie sie gern verrät. Bereits vor ihrem ersten Volontariat bei einer Zeitung hat sie sich dem Schreiben gewidmet. Die Entwicklung des Sozialrechts in Deutschland hat sie mit großer Aufmerksamkeit, manchmal aber auch mit Kopfschütteln verfolgt – wie sie selbst sagt. Sie schreibt seit vielen Jahren für unser Online-Magazin. Gute Recherche und die eigene Meinung – beides ist ihr wichtig.