Das Bürgergeld deckt den Lebensunterhalt eines Menschen auf der Grundlage des Existenzminimums. Das Kindergeld erfüllt den gleichen Zweck. Es stellt die grundlegende Versorgung des Kindes sicher. Somit ergibt sich die Frage: muss Kindergeld beantragt werden, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, um Bürgergeld zu vermeiden oder zu reduzieren? Kann Bürgergeld vom Jobcenter sogar verweigert werden, wenn kein Antrag auf Kindergeld gestellt wird?
Mit dieser Frage in abgewandelter Form hat sich vor einiger Zeit das Landessozialgericht Hamburg beschäftigt. Konkret musst geurteilt werden, ob das Jobcenter Bürgergeld (seinerzeit Hartz IV) zurückfordern darf, wenn der Bezieher keinen Antrag auf Kindergeld (zukünftig: Garantiebetrag der Kindergrundsicherung) gestellt hat.
Jobcenter: Kindergeld vor Bürgergeld, d.h. Antragspflicht
Es ist nicht sozialwidrig, wenn ein Bürgergeld Bezieher keinen Antrag auf Kindergeld stellt, obwohl er hierzu verpflichtet ist. Das entschied das Landessozialgericht Hamburg für den Vorgänger des Bürgergeldes, das ALG II:
In dem der Entscheidung des Landessozialgerichts zugrunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob Kindergeld beantragt werden muss und ob dann, wenn eine Verpflichtung zur Beantragung von Kindergeld besteht und diese Verpflichtung nicht erfüllt wird, das Jobcenter Bürgergeld in Höhe des nicht geltend gemachten Kindergeldanspruchs zurückfordern kann.
Ein Leistungsempfänger nach dem SGB II hatte für seine Kinder kein Kindergeld beantragt, obwohl das Jobcenter ihn dazu aufgefordert hatte.
Jobcenter will Rückzahlung des Bürgergeldes
Das Jobcenter hatte vom Antragsteller und Bürgergeld-Bezieher verlangt, Kindergeld zu beantragen. Grund: Der Bürgergeld Anspruch würde sich um den Betrag des Kindergeldes verringern, da Kindergeld voll auf das Bürgergeld anrechenbar ist.
Der Bürgergeld Bezieher kam dieser Aufforderung des Jobcenter nicht nach. Das Jobcenter verlangte daraufhin vom Leistungsbezieher die Rückzahlung des Bürgergeldes nach § 34 SGB II, da er sich sozialwidrig verhalten haben, er habe einen anderen, dem Bürgergeld vorrangigen Anspruch nicht geltend gemacht.
Unterlassen des Antrags auf Kindergeld nicht sozialwidrg
Das Landessozialgericht urteilte jedoch anders. Wenn Kindergeld nicht beantragt wird, ist dies nicht sozialwidrig. Grund: Die Kindergeldleistung ist ebenso wie das heutige Bürgergeld eine aus Steuermitteln finanzierte Leistung zur Sicherung des Existenzminimums. Lediglich die zahlende Behörde sei eine andere.
Das Sozialgericht unterstrich in seinem Urteil, dass das Nichterfüllen einer gesetzlichen Verpflichtung vorrangige Leistungen zu beantragen nicht per se als sozialwidrig einzustufen sei. Ob ein solches Verhalten sozialwidrig sei, sei eine Einzelfallentscheidung. Dabei komme es auf die Sicht des der Solidargemeinschaft an, nicht auf die Sicht des jeweiligen nachrangigen Leistungsträgers.
Fazit: Das Unterlassen der Mitwirkung an der Geltendmachung eines Anspruchs auf Kindergeld stellt kein sozialwidriges Verhalten i. S. d. § 34 SGB II dar.
Quelle
Landesrecht Hamburg: Landessozialgericht Hamburg, Az. L 4 AS 146/22 D, Urteil vom 4. April 2023