Bürgergeld Bezieher können selbstverständlich auf ihren Bürgergeld Anspruch verzichten. Allerdings ist ein solcher Bürgergeld Verzicht unwirksam, wenn dadurch der festgelegte Bewilligungszeitraum verkürzt werden soll und so die Regelungen über die Berechnung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit umgangen werden. Das hat das Landessozialgericht Bayern unter dem Az L 7 AS 122/23 per Urteil entscheiden.
Wir erklären in nachfolgendem Beitrag die hintergründe dieser juristisch interessanten Entscheidung!
Verzicht auf Bürgergeld ist möglich
Auf Bürgergeld kann grds. verzichet werden, allerdings dann nicht, wenn dadurch Regeln zur Einkommensberechnung umgangen werden – so das Landessozialgericht Bayern.
§ 46 Abs. 1 SGB I besagt, dass auf Bürgergeld wie auf andere Sozialleistungen verzichtet werden kann. Dies muss durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger, also dem Jobcenter geschehen. Für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit, kann man einen solchen Verzicht jederzeit widerrufen.
Verzicht auf Bürgergeld funktioniert nicht, wenn dadurch gesetzliche Regeln umgangen werden. Das steht in § 46 Abs. 2 SGB I (Sozialgesetzbuch I).
Besondere Regeln zur Einkommensberechnung bei selbständiger Tätigkeit
In § 3 Bürgergeld Verordnung ist geregelt, wie die Einkommenshöhe bei einer selbständigen Tätigkeit berechnet und ermittelt wird. Abs. 4 dieser Vorschrift sagt, dass für jeden Monats der Teil des Einkommens zu berücksichtigen ist, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt.
Diese Regel brachte einen zuvor selbständig tätigen Bürgergeld Bezieher auf die Idee, für den Monat, in dem er Einkommen erzielt, auf das Bürgergeld zu verzichten. Er wollte also den Bewilligungszeitraum verkürzen.
Das Jobcenter hatte das Bürgergeld vorläufig für die Zeit vom 1.7. bis 31.12. des Jahres bewilligt.
Der Kläger erzielte im November und hatte deshalb erklärt, kein Bürgergeld mehr ab dem 1.11. in Anspruch nehmen zu wollen.
Landessozialgericht sieht Verzicht auf Bürgergeld als unwirksam an
Das Landessozialgericht Bayern sah den Verzicht des Klägers für November und Dezembernach § 46 Abs 2 SGB I als unwirksam an. Es sieht eine Umgehung von Rechtsvorschriften als gegeben an.
Es sagt in den Entscheidungsgründen: „Der Verzicht für die Monate November und Dezember … würde eine nicht einseitig disponible materiell-rechtliche Wirkung entfalten, da er unter Berücksichtigung der Regelungen zur Berechnung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit nicht nur Auswirkungen auf die Hilfebedürftigkeit in diesen Monaten, sondern auch in den übrigen Monaten des Bewilligungszeitraums hätte. Die Nichtberücksichtigung der Betriebseinnahmen in den Monaten November und Dezember … hätte Auswirkungen auf die Berechnung des Einkommens auch in den übrigen Monaten des Bewilligungszeitraums, da bei der Berechnung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit abweichend vom Monatsprinzip (§ 11 Abs 2 S 1 SGB II) für jeden Monat der Teil des Einkommens zu berücksichtigen ist, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraums durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt (§ 3 Abs 4 S 1 Bürgergeld-V). Im Vergleich zu den Monaten Juli bis Oktober …. höheres Einkommen in den Monaten November und/oder Dezember …. würde das Durchschnittseinkommen im Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember … und damit (auch) das zu berücksichtigende Einkommen in der Zeit von Juli bis Oktober … erhöhen.“
Das Landessozialgericht vertritt somit die Auffassung, das so durch eine – durch den Betroffenen im laufenden Bewilligungszeitraum gesteuerte – Verkürzung des Bewilligungszeitraums das zu berücksichtigende Einkommen zugunsten eines höheren steuerfinanzierten Leistungsanspruchs des Klägers vermindert wird und sieht den Verzicht auf das Bürgergeld deshalb als unwirksam an.
Zusammenfassung zum Bürgergeld Verzicht
Das wichtigste zum Schluss kurz zusammengefasst:
- Auf Bürgergeld kann verzichtet werden.
- Ein Verzicht ist jedoch unwirksam, wenn dadurch gesetzliche Regelungen zu Lasten des Jobcenters (und damit des Steuerzahlers) umgangen werden.
Quelle
Landessozialgericht Bayern, Az. L 7 AS 122/23
Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins “Für soziales Leben e.V.” dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.
Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern “draußen” und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.
Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl, etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.